Nicht zu glauben! – Gott – abhängig?

In wenigen Wochen beginnt in Köln der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag. Zu den die Kirchentage mitprägenden Bibeltexten zusammen mit der Losung – „Lebendig und kräftig und schärfer…“ – und den Bibelarbeitstexten gehört auch ein „Kirchentagspsalm“. Die Bibelarbeitstexte bündeln kräftige und scharfe Herausforderungen: Die Prüfung Jesu (Matthäus 4), der Propheten (Jeremia 23), der Athener Philosophen (Apostelgeschichte 17), der Kanaanäerin (Matthäus 15) und Elias (1. Könige19). Überall erweist sich das Wort Gottes als lebendig, kräftig und schärfer als ein zweischneidiges Schwert. Aufregend ist der Schluss des 33. Psalms (in der Kirchentagsübersetzung):
„Deine Freundlichkeit, Adonaj, komme uns entgegen – wie wir dich erwarten“.
Machen wir uns die Ungeheuerlichkeit dessen, was hier steht, klar: Es wird ein Entsprechungsverhältnis formuliert, nach dem Gott um sein Entgegenkommen gebeten wird in dem Maße, in dem die Gemeinde ihn erwartet. Will Gott sich abhängig machen von dem menschlichen Maß der Erwartung? Gott lässt sich von Menschen bewegen – von dieser Grundüberzeugung lebt das Gebet. Doch hier geht es weiter: „Gott will sich angewiesen sein lassen auf die Beziehung zu Menschen, ja Gott setzt das eigene Gott-Sein in dieser Beziehung aufs Spiel“ (Ebach). Noch einmal. Wer gibt hier das Maß vor? Müssen wir entfalten: „Deine Freundlichkeit komme uns in dem Maße entgegen, in dem Maße wir dich erwarten“? Wer bewegt wen und wer will sich bewegen lassen? Gott kommt entgegen in Israels Erwartung, wie er wohnt auf den Lobgesängen Israels (Psalm 22,4). Dies Entsprechungsverhältnis bestimmt auch die fünfte Bitte im Vaterunser: „Erlasse uns unsere Schulden, wie auch wir denen vergeben, die uns etwas schuldig sind“ (Matthäus 6,12). Anders als andere Gebetstexte bringt dies Wort göttliches und menschliches Tun auf ein und denselben Begriff und setzt es mit dem Vergleichswort „wie“ ins Verhältnis zueinander. Hängt göttliche Vergebung vom Maß der menschlichen ab? Das von Gott Erbetene ist das zuvor den Menschen zu tun Gebotene. Vermutlich müssen wir lernen, dass das „Recht der Gnade“ nun ins Gebet genommen wird. Nur der kann Gott bitten, dessen Handeln selbst dem von Gott erbetenen Tun entspricht! „Komm uns entgegen, wie wir dich erwarten“…das ist ja unglaublich!