DAS WORT / 12. Juni 2005 7.55 auf RBB 88,8

Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen
und selig zu machen, was verloren ist.
Lukasevangelium 19,10

Seine Eltern hatten ihn beim Namen „Zachäus“ gerufen, das heißt auf deutsch: „Der Reine“.
In Israel sind Namen nicht Schall und Rauch. Sie bedeuten immer etwas, z.B. einen guten Wunsch – Jesus heißt „Gott hilft“, und mit seinem Leben hat Jesus seinem Namen alle Ehre gemacht. „Ezechiel“ heißt „Gott ist stark“; „Elisabeth“ heißt „Mein Gott ist durch und durch treu“.


Auch Zachäus ist ein solcher Wunschname: „Der Reine“. Die Eltern wünschten sich so sehr, dass zeit seines Lebens kein Makel an ihm festzustellen wäre. Aber nun erzählt das Lukasevangelium, dass er seinem Namen so gar keine Ehre gemacht hat. Im Gesetz über ein reines Leben vor Gott und den Menschen heißt es: „Du sollst deinen Nächsten nicht bedrücken noch berauben“. Zachäus war aber Zöllner geworden, sogar Oberzöllner. Und bei denen war es schon üblich, sich nicht an die Zolltaxe zu halten, sondern ziemlich freibeuterisch die Zollgebühr für die eigene Tasche zu erhöhen. Schien es nicht manchmal auf der DDR-Autobahn, dass die Vopos bei Geschwindigkeitsüberschreitungen die Preise willkürlich festsetzten? Es gibt noch heute in Europa Grenzübergänge, wo einfallsreich und schwungvoll mit Zugaben und Extras gehandelt wird. Die Verquickung von politischem Amt und persönlichem Finanzgebaren ist auch in feineren Kreisen ein ziemliches Problem geblieben…

In den Augen der Leute zur Zeit Jesu waren die Zöllner ein Abschaum, man nahm keine Spenden von ihnen, man schloss sie aus jeder Gemeinschaft aus. So einer war auch Zachäus geworden, sein Name, „der Reine“, war der reine Hohn auf seine Taten. Als er hört, dass Jesus von Nazaret die Stadt Jericho besucht, klettert Zachäus auf einen Baum und will Jesus sehen. Doch der ruft ihn herunter und lädt sich bei ihm ein, der Reine den Unreinen. Er durchbricht die gesellschaftliche Isolation um den Mann herum auf. Alle, die es erleben, sind entrüstet. Ich erinnere mich an den Besuch des früheren Berliner Bischofs Kurt Scharf bei den Inhaftierten der RAF, der Roten-Armee-Fraktion, und welchen Entrüstungssturm das entfesselte.
Wir wissen nicht, was in der Nacht zwischen Jesus und Zachäus geschah, worüber sie sprachen, welchen Eindruck sie aufeinander machten, nur das Ergebnis hören wir: „Zachäus aber trat hin und sagte: Die Hälfte meines Besitzes gebe ich den Armen, und, was ich erpresst habe, gebe ich vierfach zurück!“ Damit handelt er getreu Israels Gesetzen, die die vierfache Entschädigung bei Schafen und die fünffache bei Rindern verlangen. Und er bringt ein großes Schuldopfer, das nun unter den Armen verteilt wird. Das ist nicht sein „guter Wille“, sondern er handelt, „wie das Gesetz es verlangt“. Dazu hat Jesus ihn gebracht: Aus dem asozialen Erpresser hat er einen gesetzestreuen Sohn Abrahams werden lassen. Und er hat ihn zur Höhe seines Namens zurückgebracht, er hat ihn werden lassen, was er sein sollte und nun wieder sein kann mit den anderen seiner Gemeinschaft.

Und wenn wir als Menschen unserer Welt alle Zachäus, alle Erpresser klein und groß sind, die die Armen beuteln und betrügen in der Ferne und in der Nähe und wo wir nur können, dann lasst uns hören und uns freuen über diese Geschichte, in der Jesus einen Menschen wieder gemeinschaftsfähig machte. Mit dieser Geschichte können auch wir uns resozialisieren, denn es heißt zum Schluß der Erzählung;: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“.