Worte für den Tag – Worte auf den Weg für den Sonnabend, 9. Januar 2021

Als biblische Grundlegung für dieses Jahr nehme ich einen Satz des Apostels Paulus aus dem Brief an die christliche Gemeinde der Stadt Korinth: „Wir sind Gottes Mitarbeiter“! Das klingt nicht gerade demütig. Man soll ja nicht so viel von sich halten; eingebildete Leute sind unsympathisch, Selbstinszenierungen anderer nicht auszuhalten. Nun kann man es mit Demut auch übertreiben. Täuscht mich mein Eindruck: War die evangelische Kirche jüngst ein wenig zu demütig? Die fallenden Mitgliederzahlen setzen ihr zu, bei der Virusbekämpfung war sie nicht systemrelevant. Nun gut, Viren bekämpfen gehört nicht zu unserer Kernkompetenz…

„Wir sind Mitarbeiter Gottes“, Paulus ist maximal selbstbewusst; dabei kennt er seine Grenzen.

Er hat ein gesundheitliches Handicap; wir wissen nicht genau, was es war, er nennt es einen Stachel im Fleisch. Der quält ihn so wie die Skepsis anderer ihm gegenüber, er hatte die Gemeinde mal verfolgt. Und doch schreibt er „Wir sind Mitarbeiter Gottes“! Er sagt „Wir“ – und meint alle, die in der christlichen Gemeinschaft Verantwortung übernehmen. Da zuckt man als zur Bescheidenheit erzogener Christenmensch erst einmal zurück. Geht’s auch eine Nummer kleiner?

Nein, geht es nicht! Wer den Willen Gottes in der Welt voranbringt, arbeitet mit an Gottes Reich, nämlich Frieden üben, für Gerechtigkeit zu sorgen, an der Verständigung zu arbeiten, Gesundheit zu fördern und jene zu trösten, die traurig, verletzt und einsam sind. Der Psalm 8 sagt es: „Du hast den Menschen wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan.“

Also: keine falsche Bescheidenheit, auch wenn die Mitgliederzahlen schwächeln und der Beifall ausbleibt – was wir tun, ist wichtig. In der Bergpredigt warnt Jesus seine Leute, ihr Licht nicht unter den Scheffel, also unter ein Gefäß zu stellen. Ein Licht soll leuchten wie eine Stadt auf dem Berge, die nicht verborgen bleiben kann. Wir sind Mitarbeiter Gottes und die Aufgabe ist groß.

Worte für den Tag – Worte auf den Weg für den Freitag, 8. Januar 2021

„Es ist doch gar nicht so schlimm!“, „Nimm es dir nicht so zu Herzen!“, „Andern geht es auch nicht besser“, „Das geht vorüber“ – nein, so geht es nicht, so kann ich nicht reden – schönfärben, schönreden, ablenken, das ist doch kein Trost! Aber was ist „trösten“?

Die S-Bahnfahrt zum Krankenhaus ist lang und wenn ich mich umsehe, sehe ich auch nicht gerade getröstete Gesichter, sondern nur Masken. Trost…mir fällt Trostpflaster ein, Trostpreis, Trösterchen, manche können sich ja schnell trösten. „Die Lügen der Tröster“ heißt ein unangenehmes Buch.

Ich werde gleich am Fußende eines Bettes stehen und meinen kranken Freund…ja nun, trösten.

Ich habe gelernt, die Bibel zu lesen. Heinrich Heine hat die Bibel die „Hausapotheke der Menschheit“ genannt. Er war krank genug, das nicht spöttisch zu meinen. Wohl dem, der eine gute Hausapotheke hat. Heines Hausapotheke bringt mir erst einmal bei, dass Trost nicht nur ein Leid-Wort, sondern ein Leitwort ist. „Ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist mir, dein Stab und deine Stütze trösten mich!“, sagt der Psalm 23. 

Vom Propheten Jesaja fällt mir ein: „Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“ – Trost – die Muttermilch Gottes; ein solcher Trost ernährt uns, stillt uns, birgt uns in ihrer Nähe, macht uns wieder groß und stark….

Gut, dass ich aussteigen muss, sonst denken die Mitfahrenden, der murmelt vor sich hin, als sei er nicht ganz bei Trost? Eine freundliche und offensichtlich übermüdete Schwesternschülerin zeigt mir den Weg zum Krankenzimmer. „Ich habe auf der Herfahrt über das Trösten nachgedacht“, sage ich meinem Freund. Er kennt auch die Bibel und die hebräische Sprache, in der sie geschrieben ist. „Und ich auch“, sagt er, „weißt du, dass das hebräische Wort „trösten“ eine gemeinsame Wurzel hat mit dem Wort „aufatmen“ und „wieder aufatmen lassen“?

„Ja, das wollte ich“, sage ich etwas verwirrt.  „Das hast du auch, wenn du mich hier besuchst. Das bringt mich wieder zum Aufatmen!“ , sagte er lachend. Jetzt bin ich so verlegen, dass ich selber aufatmend etwas von seinem Abendbrot-Tablett nehme.

Corona ist eine Atemnot-Krankheit. Dass doch viele, viele wieder aufatmen können, so hoffen und bitten wir.

Worte für den Tag – Worte auf den Weg für den Donnerstag, 7. Januar 2021

Ein Jahr unter dem Horizont einer Virus-Pandemie zu beginnen, nicht zu wissen, wann diese ihre Bedrohung verliert – dazu gehört Mut. Mut, ein kleines Wort, das viel beinhaltet: Tapferkeit, Beherztheit und eben Wagemut. Mut – wie war das früher? Der Sprung vom 3-Meter-Brett, Stützräder beim Fahrrad weglassen, vor allen Leuten eine Rede halten, ein Lied singen, einen beruflichen Neustart wagen…Besonderen Mut braucht es zum Nein-Sagen, zum Widersprechen in lebensbehindernden und lebensverachtenden Situationen. Die Bibel ist in den Psalmen und bei den Propheten voll von solchem Mut im Widersprechen. Es ist ein trotziger Mut, mehr noch, es ist ein demütiger Trotz, auch gegenüber Gott! Wenn ich das doch jemals gelernt hätte, den demütigen Trotz, als Gottvertrauen, als Lebensvertrauen. Nicht hochmütig, nicht übermütig, sondern demütig-trotzig, trotzig-vertrauensvoll.

Dazu erzähle ich besser eine Geschichte:

Sie spielt in den USA am Ufer des Missisippi. Eine Gruppe Menschen hastet das Ufer entlang zu dem Hafen, von dem ein großer Raddampfer abfahren wird, der sie retten kann und in ihre Heimat bringen. Sie kommen schlecht voran, es wird dunkler und kälter. Ein Junge ist in der Gruppe, der laut alle anfeuert. Nun hören sie das Horn des Dampfers, er wird ablegen vom Pier im Hafen ablegen. Sie sind zu spät. Die Dunkelheit wächst, das Gelände ist sumpfig. Da taucht aus dem aufsteigenden Nebel der Dampfer auf und zieht seine Bahn in voller Fahrt. Sie erreichen einen schmalen Steg, da können aber nur kleine Boote anlegen. Der Dampfer naht, sie hören das Schaufelrad rauschen – da hält der Junge seine Hände an den Mund und ruft und ruft und winkt und winkt. Die anderen sagen: „Lass das doch, es ist sinnlos, du machst uns nur verrückter und verzweifelter, lass es!“. Der Junge ruft und ruft, schreit und schreit.

Da dreht der Dampfer bei, setzt ein Boot aus und nimmt die Gruppe auf. Sie sind gerettet, mehr und mehr entfernen sie sich vom Ufer, gerettet! Sie fahren in die Heimat. Erschöpft lassen sie sich auf den Boden fallen und fragen den Jungen: „Wie konnte das geschehen? Warum hast du so gerufen?“

Und der Junge sagt nur einen Satz: „Der Kapitän des Schiffes ist mein Vater.“

Worte für den Tag – Worte auf den Weg für den Mittwoch, 6. Januar 2021

Sie könnten uns heute begegnen: die Sternsinger! Im Gewand der heiligen Könige wandern sie herum und schreiben über die Türen der Häuser und Wohnungen den Jahressegen, der mit den Anfangsbuchstaben ihrer Namen verbunden ist: Caspar, Melchior und Balthasar, also C, M und B , lateinisch: Christus mansionem benedicat, deutsch: Christus segne dieses Haus. Wir sollten etwas in ihre Sammelbüchse tun, mit deren Ertrag der Segen von Gottes Menschenfreundlichkeit durch Hilfswerke in alle Welt gegeben wird.

Ich rede von den legendären heiligen drei Königen, weil in der Bibel nichts davon steht. Dort ist von Weisen, genauer von Magiern die Rede, ihre Zahl bleibt offen, sie sind auch nicht heilig, sondern Heiden, das meint Nichtjuden, aus fremden Ländern mit fremden Glauben. Es steckt eine tiefe Wahrheit in der Erzählung. Die Weisen stehen für die Überzeugung, dass von Anfang alle Völker in diese Geschichte einbezogen sind.

So konstituiert sich an der Krippe die christliche Internationale, bei uns Ökumene genannt, ein  buntes Völkchen, wobei die Hirten mit leeren und die Weisen mit vollen Händen kommen, aber so sieht die Ökumene aus, da gibt es sehr arme und sehr reiche Leute, wichtig ist allein, dass die Armen sich freuen und die Reichen viel verschenken. Die Weisen stehen für eine soziale Schicht, sie sind gelehrte Erforscher des Himmels, Astronomen, die den Sternenlauf verfolgen und  ihre Schlüsse ziehen. Weltraumforschung wird das Thema dieses Jahrhunderts werden…

Sie wissen viel, sie besitzen viel und sind trotz allem Wohlstand und aller Bildung ernsthaft auf der Suche nach dem, der ihnen Ziel und Mitte erweisen kann in den vielen Möglichkeiten ihres Lebens.

Sie haben keine Ahnung, dass er anders ist als die Herrscher, die sie kennen. Und sie erkennen durch Gottes Weisung, dass der, den sie suchen, ein Kind ist, zart, verletzlich, angewiesen auf Schutz wie jeder Mensch. Bei ihm finden sie Ziel und Mitte für ihr Leben: Menschlichkeit.

Das Maß aller Dinge.

Ob sie später Christen geworden sind, erzählt die Bibel nicht. Aber Bündnispartner gegen die, die den Namen Gottes missbrauchen, um Hass und Terror zu verbreiten, das sind sie gewiss.

Worte für den Tag – Worte auf den Weg für den Dienstag, 5. Januar 2021

Es ist schon der fünfte Tag des neuen Jahres – doch mein Wunsch für dieses Jahr ist an jedem Tag aktuell: Geistesgegenwart! Geistesgegenwart ist eines der schönsten deutschen Wörter und eine der seltensten Tugenden. Geistesgegenwart – das ist viel mehr als Schlagfertigkeit, Reaktionsvermögen, hellwach-blitzgescheite Pfiffigkeit, Brillanz und Witz – alle sind sie liebenswürdige Tugenden, doch Geistesgegenwart ist noch mehr.

Sie ist dort, wo ein Mensch Rückgrat bewahrt, furchtlos bleibt, der Wahrheit die Treue hält, seinem Verstand folgt, beim Denken gerade bleibt und kein Querdenker wird. Genau dann, wenn man ins Gedränge kommt, provoziert wird, verführt, vielleicht doch mit den Wölfen zu heulen, zu reden wie der Chef redet – genau dann unbeirrt zu bleiben, nicht das menschlich Naheliegende, sondern das mutig Fernliegende tun, bei einer fairen Verteilung der Impfstoffe z.B.  – da ereignet sich Geistes-Gegenwart. Sie gehört zurzeit nicht zu den nationalen oder kirchlichen Tugenden. Zurzeit regiert  ein Zeitgeist, der in keinem guten Zustand ist und über dies anfangende Jahr nicht herrschen möge!

Unsere Gesellschaft – ein Schauplatz von Machtkämpfen? Wir erleben Wettkämpfe um wirtschaftliche, aber auch psychische Macht, also die Macht, andere möglichst wirkungsvoll zu kränken, bloßzustellen, zu entwürdigen, zu belügen, ihre Vitalität an sich zu fesseln. Dieser Zeitgeist ist wie ein Bann, der die Menschen lähmt, ihr Nebeneinander, ihren Mitmenschen nicht mehr an die Hand zu nehmen, das kleine Wörtchen „mit“ stumm zu machen.

„Mit“ ist das Wahr-Zeichen der Geistesgegenwart. Der Mensch, der nicht Mitmensch ist, ist Unmensch, hat Karl Barth gesagt, ein geistesgegenwärtiger Christ, hat das Mitgefühl verlernt, das Mitleid und auch die Mitfreude. „Mit“, das kürzeste Wort, das umschreibt, was das Evangelium erzählt: Da ist einer, der mit uns geht durch die Katastrophen, auch in diesem Jahr, in Verlassenheit und Freude, in allem, was beginnen will. Lassen wir uns doch mitreißen von diesem schönsten aller Versprechen!

Worte für den Tag – Worte auf den Weg für den Montag, 4. Januar 2021

Langsam verlischt das Licht, die Stimmen der Instrumente verstummen, die Welt scheint zu versinken, wir halten fast den Atem an – da, mit einem Mal öffnet sich die Vorhang und gibt den Blick frei, das Licht strahlt auf, Musik setzt ein – das Spiel beginnt und mit ihm die Freude der Anfänge. Wie sehnen wir uns danach, Anfänge zu erleben!

Zu den Grundbewegungen unseres Lebens gehören die Anfänge…Mit dem Anfangen nicht aufhören, ist es das, was Menschen so erfrischend wirken lässt? Und andere, die mit sich selber nichts anzufangen wissen, so bedrückend? Und andere, denen man das anfangen verwehrt, nicht zugesteht, unsere Barmherzigkeit fordern ?

Anfänge begleiten uns „von Anfang an“ – der Tag, an dem wir in den Kindergarten durften und der Tag, an dem die Schule vorbei war und etwas Anderes anfing – Ausbildung, Reisen und Erleben, Fahrprüfung, Liebesverwirrungen. Und der Anruf des Schwiegersohnes: „Es ist ein Mädchen!“.

Und der Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus, der erste Tag im Pflegeheim. Anfänge, Auftakte, Aufbrüche – und nun wieder ein Jahresanfang. Und gerade montags geht es vielen nicht gut zwischen Unmut und Neugier, zwischen Bangigkeit und tapferem Start. Es gibt keinen Anfang ohne Vorgeschichte – die Bibel erzählt von Gott, dem ersten Anfänger, unserem Schöpfer, der, man muss unwillkürlich lächeln, immer nur anfängt. „So ein Anfänger!“ – das ist ein dummer Tadel! Kennt der nicht “Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“?

Gott ist ein Anfänger, die Bibel erzählt mehr von Anfängen als von Erfüllungen. Schöpfung, einen Bund mit Gott schließen, Advent, Weihnachtsnächte, Osterfrühe, Pfingstmorgen – immer wieder Anfänge! So wie heute morgen…

Es wird auch Anfänge geben in diesem Jahr 2021, zwischen Konflikten und Brüchen, Verlegenheiten und unverhofftem Glück! Gott hat uns als anfängliche Menschen geschaffen – das ist schwer und schön! So gebe ich einen alten Bauern-Glückwunsch weiter: „Und so wünsche ich denn, dass euer Gnaden in dem neuen Jahr länger leben möchte als in dem alten!“