Abendsegen | Sonntag, 26.07.2015.

Der Berliner Pfarrer und Professor Friedrich-Wilhelm Marquardt hat nach schweren Erkrankungen ein Wort zum Abend aufgeschrieben; ich zitiere daraus:

Mit jedem Abend eines Tages erinnerst du, Gott, uns an den Abend des Lebens und das Ende aller Dinge. So ist er die Zeit, für den Tag zu danken und uns für den Weg in die Nacht zu befehlen.

Unser Leben danken wir dir, dir danken wir Eltern und Geschwister, die nächsten Geliebten, Genossen und Menschen. Mit ihrer Hilfe sind wir, was wir sind. Dir danken wir Herzen, dir das Ja zum Leben, auch zu seinem Ende. Dir danken wir Leib, Seele und Geist – unverdientes Überleben, Lebensfreude, Widerstandskräfte gegen Leiden, Zwänge und Angst. Aber auch Fantasie und Denkvermögen, das Leben zu meistern, allein du aber bist unser Meister. Du bleibst, der du bist, unsere Freude und Dankbarkeit gelten dir, du unser Schöpfer und Versöhner und Befreier. Diese Hoffnung ist unsere Gewissheit, auch auf unserem Weg in die Nacht. Amen

Abendsegen | Sonnabend, 25.07.2015,

Wenn einer, der das Wort noch nie gehört hat, Sie fragen würde, was das ist – Sprache, was würden Sie ihm antworten?

Oh je…Hohle Phrasen, leere Versprechen, Diagnosen, die Patienten erschrecken. Es gibt nicht nur Angst vor Dunkelheit und Hunden, auch vor Buchstaben. Worte treten nach, machen Wind, machen runter, machen klein. „Besser ein Messer als ein Wort, ein Messer kann stumpf sein“, sagt die Dichterin Hilde Domin. Worte können aber auch Wundpflaster sein, richten auf, machen schön, schlagen Brücken, schließen Frieden, schaffen Recht, lassen Kinder in den Schlaf fallen und Verliebte in den Himmel fliegen.

Was haben wir alles in dieser Woche gehört – verheerendes und heilendes? Es ist so entscheidend, wie wir miteinander Worte wechseln, wenn ein Wort das andere gibt…

Es behüte Sie Gottes Wort, der sagt: Ich bin mit Dir, fürchte dich nicht!

Abendsegen | Freitag, 24.07.2015

Es ist Freitagabend und für die jüdische Gemeinde hat der Schabbat begonnen, der siebente Tag der Schöpfung, an dem der Schöpfer ruhte und alles Geschaffene ruhen soll. Wie es einmal aussehen kann, wenn der Mensch zur endgültigen Ruhe gekommen und vor seinem Schöpfer steht, haben sich viele Menschen gefragt. In der jüdischen Erzähltradition gibt es die folgende Geschichte:

„Rabbi Elimelech sagt: Ich bin gewiss, der kommenden Welt teilhaftig zu werden. Wenn ich vor dem oberen Gericht stehe und sie mich fragen: ‚Hast Du nach Gebühr gelernt?‘,  werde ich antworten „Nein‘. Dann werden sie fragen: ‚Hast du nach Gebühr gebetet?‘ , dann antworte ich ‚Nein‘. Dann fragen sie zum dritten: ‚Hast du nach Gebühr Gutes getan?‘, dann kann ich nur sagen ‚Nein‘.

Dann sprechen sie das Urteil: ‚Du sagst die Wahrheit. Um der Wahrheit willen gebührt dir Anteil an der kommenden Welt.’“

Der Gott allen Trostes segne und behüte Sie in der kommenden Nacht. Er begleite Sie mit seiner Liebe, die fordert und trägt. Er lasse sein Angesicht leuchten über Ihnen und sei Ihnen so gnädig bis zur einmal letzten Nacht.

Abendsegen | Donnerstag, 23.07.2015

Mitunter, da haut auch ein Heiliger daneben. Der von allen Heiligen mir der liebste, der Franziskus, sagt in seinem Friedensgebet: „Gott, Lass mich trachten, nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.“

Dauernd die eigenen Gefühle bremsen zugunsten anderer, dass kann einen auch versteinern. Nein, Jesus sagt nicht: Liebe deinen Nächsten und dich selber – sondern: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Die Zuwendung für mich ist Voraussetzung für die Zuwendung für andere. Wir brauchen uns nicht zu schämen, sagt Jesus, unsere Sehnsucht nach Glück zu spüren oder in ein nächtliches Ohr zu flüstern…

„Nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe“? Einspruch, Euer Ehren Franziskus! Beides ist wichtig und richtig: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Gott, der uns kennt, ob wir sitzen oder stehen, gehen oder liegen, möge uns umgeben und unseren Schlaf segnen – und morgen uns ein liebevolles Gesicht entgegen schicken

Abendsegen | Mittwoch, 22.07.2015

Ich war mal zur Vorbereitung einer Beerdigungsfeier bei einer mir unbekannten Frau zum Tee eingeladen. Auf dem Tisch, an dem wir Platz nahmen, lagen zwei Gedecke mit Tassen, kleinen Tellern und Stoffservietten. In der Mitte ein weiterer kleiner Teller mit drei Sorten Biskuits. Von jeder der drei Sorten lagen genau zwei Stück akkurat neben einander. Ich schaute dieses Arrangement an und wusste augenblicklich, wie viele Kekse ich essen durfte.

Es gibt eine Enge der viel zu kleinen Gedanken, es gibt eine Enge der viel zu kleinen Wünsche, der viel zu kleinen Tische, Teller und Stoffservietten. Und es gibt einen Gott, der weit und breit auf keine Etikette schaut und uns alles anbietet und zutraut – auch mehr Biskuits…

Gott, der Himmel und Erde, Sonne, Mond und alle Sterne geschaffen hat, möge weithändig seinen Segen für Sie verschwenden in einen erholsamen Schlaf

Abendsegen | Dienstag, 21.07.2015

Die erste Frage in der Bibel war die Frage Gottes an Adam: „Mensch, wo bist Du?“

Was? rief einmal ein großer Gelehrter, Gott wusste nicht, wo Adam sich befand? Nein, sagten die anderen, so darf man die Frage nicht stellen: Gott wusste es, Adam wusste es nicht! Deshalb muss der Menschen immer danach trachten, seinen Ort, seine Aufgabe unter den Menschen zu kennen, seinen Platz in der gemeinsamen Lebensgeschichte. Seine Aufgabe ist es, nach einem langen Tag sich die Frage zu stellen, wo stand ich heute, wo werde ich morgen stehen – im Angesicht Gottes und gegenüber, neben, hinter oder an der Seite meines Nächsten?

Gott sei Dank, dass wir diese Frage stellen dürfen!

Gott, der seine Geschöpfe zu Frage und Antwort geschaffen hat, mögen Sie mit einem lebensstärkenden Schlaf segnen – dass Sie morgen eine gut ausgeschlafene Antwort geben können.

Abendsegen | Montag, 20.07.2015

Abendeinladung bei Freunden. Auch Sie nehmen von der kühlen Limonenbowle und betreten, in jeder Hand ein Glas, einen anderen Raum. An der Schwelle kommt jemand auf Sie zu, der eine wunderschöne chinesische Vase in seinen Händen hält. Plötzlich wirft er ihnen die Kostbarkeit entgegen. – Was würden Sie tun? Ich hab’s ein paar mal erlebt, dass ich dummerweise die gewöhnlichen Gläser, die alten Dinge festhalte und die Kostbarkeiten, die mir im Leben entgegensegelten, nicht aufgefangen habe…
Warum lassen wir das Verbrauchte nicht los? Verpassen das neue, mag sein das heitere gemeinschaftliche Leben? Vielleicht eine Perspektive ohne Rendite und Zinsen, dafür mit Freundinnen, Freunden und einem anderen Horizont…
Und morgen – halte ich das alte matte Glas fest oder fange ich die leuchtende Vase auf?

Gott, du hast uns geschaffen mit unserem Zögern und unserem Zugreifen – schenke uns eine ruhige Nacht und morgen die beherzte Entscheidung!