Abendsegen | Montag 29. November

Die Adventszeit hat begonnen. Es gibt Wörter wie Advent oder Sehnsucht oder Wunsch, die rühren wie an ein Geheimnis, die rufen Träume in uns wach. Werden sie ausgesprochen, ist es, als ob sich ein federleichter wärmender Mantel um uns legte. Der neunzigjährige Berner Dichter Kurt Marti träumt von seinen Wünschen für die Adventszeit:
„ Ach, dass ich, wenn’s drauf ankommt,
im Gegner den Bruder,
im Störer den Beleber,
im Süchtigen den Sehnsüchtigen,
im Säufer den Beter,
im heute Feigen den morgen Mutigen,
im Gehemmten den heimlich Leidenschaftlichen
erkennen könnte!“

Gott, der Schöpfer, mögen Ihren Schlaf segnen mit der Gewissheit, dass noch etwas aussteht, für Sie und für die ganze Welt

Abendsegen | Sonntag, 21. November

Heute war der letzte Sonntag im Kirchenjahr, der Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt. Seit alters her liest man an diesem Tag Worte des 90. Psalms aus der Bibel:

Herr, du warst zu allen Zeiten
und immer wieder unsere Rettung!
Du machst die Menschen zu Staub und sagst:
Kehrt zurück, Menschenkinder!

Unser Leben dauert vielleicht siebzig Jahre,
wenn es hochkommt, sind es achtzig.
Lehre uns, unsere Tage zählen,
daraus werden wir gescheit –
und unser Herz weise.

Zeige uns, dass du da bist,
und unseren Kindern, dass du ein Gott bist, der hilft!

Unser Vater, dein Segen kennt keine Grenzen; lass dein Angesicht über uns leuchten und segne unseren Schlaf!

Abendsegen | Sonnabend, 20. November

War dies heute ein schöner Tag? Aber, so fragt die Schweizer Pfarrerin Jacqueline Keune,
„Was ist schön? Sind Geranien schön? Oder die Miss Schweiz? Oder die alten Hände? Ist mein Kind schön, das Meer, eine gerade Linie, ein Hügelzug? Und der Tisch, ist er schön, wenn er rund ist oder lang und schmal? Die anmutige Geste der Frau, die in ihr Haar greift und das kleine Gefäß, in dem wir den Zucker aufbewahren? Was ist schön? Schön ist das Ornament, das die Sonne an diesem späten Novembertag durch das Gezweige auf den Moosboden malt…all das, nur eine Ahnung dessen, was ewig ist…

Unser Gott, halte deine segnenden Hände über uns alle, und geh ihn mit uns, den schönen, schwierigen Weg durch die Nacht und durch alle Zeit

Abendsegen | Freitag, 19. November

Der 19. November ist der Gedenktag der heiligen Elisabeth von Thüringen. Warum beeindruckt und bewegt diese junge Frau – sie starb mit 24 Jahren – die Herzen der Menschen bis heute? Es ist ihr Mut zur Barmherzigkeit. Ihr Herz und ihre Beherztheit für die Armen ihrer Zeit lässt sie herausfordernd bleiben wie sie es war – vor mehr als 800 Jahren. Sie verteilte ihren Besitz an die Armen – gegen alle kalte Rechnerei. Sie ist kein exotisches Original – strahlende Liebe und durchdachte Sozialarbeit zeichnen sie aus. Ihr Wahlspruch war: „Seht, wir müssen die Mensche froh machen!“

Du Gott aller Barmherzigkeit, segne die Nacht aller Kranken und Armen! Und die unsere auch, dass wir morgen früh aufstehen und füreinander das Leben erstreiten.

Abendsegen | Donnerstag, 18. November

Hat jemand gesagt, der November verbreite Schwermut? Das kann nicht der Basler Dichter Rainer Brambach gewesen sein! Der nennt sein November-Gedicht

Flugzeit
Laub fällt, und sichtbar werden
leere Vogelnester im Geäst.
Es regnet, regnet weiter
bis zum Schnee –
Kommt noch ein Tag, auf Nebelhörnern
kühl November blasend,
stehn wir in Wolle eingewickelt
bis zum Kinn und prüfen unser Dach.
Die offnen Stellen füllen wir mit Sorge.

Zeit wär’s zu fliegen.

Gottes Himmel über uns, die Erde unter uns, die Ruhe in uns, mögen uns zum Segen werden!

Abendsegen | Mittwoch, 17. November

Kein Mensch lässt sich gern unterbrechen. Ein Tag, an dem wir dauernd unterbrochen werden – Telefonate, überraschende Besuche, aufregende Nachrichten – ist uns meistens ärgerlich. „Unterbrechen Sie mich nicht dauernd!“ ist eine heftige Ermahnung in Talk-Shows. Manchmal aber ist es sehr gut, sogar lebensnotwendig, sich unterbrechen zu lassen: Eine ist hingefallen, jemand braucht Hilfe, Kinder müssen etwas wissen, andere brauchen einen dringenden Rat!

Sich unterbrechen zu lassen, damit beginnen Abkehr und Umkehr vom üblichen Leben.
Heute war Buss– und Bettag, der Umkehr-Tag. Das geht aber morgen auch noch…

Segne uns mit deiner Stille in dieser Nacht, lass es Menschen, denen wir morgen begegnen, gut ergehen durch uns!

Abendsegen | Dienstag, 16. November

Es gibt Menschen, die fürchten sich vor dem November. Das Jahr neigt sich zum Winter, das Licht neigt sich zur frühen Dunkelheit, die Stimmung neigt sich zur Melancholie. Da hört man gerne Wolfgang Amadeus Mozart zu, seiner Musik, aber auch seinem fröhlichen Dank:

„Ich danke meinem Gott, dass er mir das Glück gegönnt hat, ihn als Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen. Ich lege mich nie zu Bette, ohne zu bedenken, dass ich vielleicht doch den anderen Tag nicht mehr sein werde – und es wird doch kein Mensch sagen können, dass ich …mürrisch oder traurig wäre. Für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer.“

Gott segne Sie und bleibe bei Ihnen in dieser Nacht. Er breite seinen Schutz über Ihnen aus und segne Ihren Schlaf mit Ruhe und Kraft.

Abendsegen | Montag, 15. November

Keith Jarrett ist ein wunderbarer Pianist. Sein weit ausgreifendes Spiel am Piano – nie scheint es aufzuhören. Die Musik ist endlos und hell wie das Licht eines langen Tages. Zu diesem Licht sagt Keith Jarrett:
„Die Worte eines Liedes lauten: ‚Dies kleine Licht, das ich habe, will ich leuchten lassen’.

Ich schlage vor, dass wir uns weniger mit der Frage befassen sollten, wo das Licht herkommt, sondern dankbar zu sein für das Geschenk des Lichtes, indem wir ‚es leuchten lassen“. Diese ankbarkeit wäre eine Frömmigkeit, die sich in unserem Leben und Arbeiten auswirken ird.“
Gott segne Sie mit einem ruhigen Atem, mit befreienden Träumen und einem Morgen voller Licht.