Abendsegen | Sonntag, 29. Mai 2016

Der Sonntag geht in diesen Stunden zu Ende. Halten wir fest, der Sonntag ist der erste Tag der Woche, der Wochenbeginn, weil er der Auferstehung des Jesus von Nazareth gedenkt, sie feiert und mit ihr die Zeit neu beginnt. Der Wunsch „Schönes Wochenende!“ gilt biblisch-kirchlich nicht dem Sonntag, und wenn alle Kalender die Woche mit dem Montag eröffnen – der erste Tag der Woche ist der Sonntag!

Ich lese den biblischen Psalm 121, das Gebet zur Nacht:

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt von Gott, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.
Der Herr behütet dich; er ist der Schatten über deiner rechten Hand.
Der Herr behüte doch vor allem Übel, er behüte deine Seele,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit. Amen

Abendsegen | Sonnabend, 28. Mai 2016

„Das Wochenende droht“, sagte liebevoll der Hausarzt und gab mir seine private Telefonnummer. Aber es verlief gut für den Kranken. Ich las das Gebet meiner Kollegin aus Luzern, Jacqueline Keune. Es heißt „Am Ende“:

Lass mich glauben, mein Gott,
dass ganz am Ende nicht der Schmerz steht,
sondern du.
Lass mich erkennen, mein Gott,
dass da Wege sind aus dem Schmerz
und dass da Kraft ist – auch in mir – aufzustehen.
Lass mich glauben, mein Gott,
dass ganz am Ende nicht der Schmerz steht,
sondern du.

In dieser Nacht möge Gott uns behüten; er reiche uns seine Hand, wenn der Weg alleine zu schwer wird; er lasse unsere Hoffnung nicht ins Leere laufen!

Jacqueline Keune, Pfarreiblatt des Kantons Zug, Nr.14, 1.April 2007

Abendsegen | Freitag, 27. Mai 2016

Es ist Freitagabend und für die jüdische Gemeinde hat der Schabbat begonnen. Der Londoner Rabbiner Lionel Blue erzählt vom Segen, den er in seiner Kindheit von den Großeltern empfangen hat.
„Als Kind empfing ich jeden Morgen zwei Segen, zu Hause und in der Schule. Der morgendliche Segen bedeutete mir viel: Mein Großvater drückte mich an sein Zwerchfell und betete in tröstlichen Worten: ‚Breite Deinen Tempel des Friedens über ihn aus…Engel und Erzengel seien zu seiner Rechten und zu seiner Linken.‘ Und aus der Küche bekräftigte meine Großmutter mit einem seufzenden ‚Amen, Amen‘.
In der Schule war der Segen anderer Art. Wenn ich mich gut betragen hatte, würde mich eine sittenstrenge Gottheit aus fernen Himmeln segnen…
Doch muss ich immer an Opa und Oma denken und ihre rührenden Segenssprüche, die mir viel lieber gewesen sind.“

Gott segne uns und behüte uns, er berge uns im Mantel seines Trostes und umarme uns in unserer Not.

Lionel Blue, Das Blaue vom Himmel, Herder Freiburg,1989

Abendsegen | Donnerstag, 26. Mai 2016

Die Woche neigt sich ihrem Ende zu…Was geschah? Ich habe zugehört, ich habe gesprochen, habe übersehen, aber auch hingeschaut, habe entschieden und geurteilt, habe auch weggeschaut, habe anerkannt, war müde und voller Fragen, leer und enttäuscht…Atem des Lebens, wo bist du? Meine Gedanken, meine Verletzungen, meine Erwartungen, was ich getan und was ich gelassen habe – Du Gott, Atem meines Lebens, wie wird es weitergehen?
Die Menschen, die durch mich beschenkt oder verletzt wurden, dir vertraue ich sie an. Wie kann ich Zerbrochenes heilen, entstandene Gräben überwinden? Auf dich, Gott, Atem meines Lebens, setze ich meine Hoffnung. Atem meines Lebens, weiter als mein Denken, stärker als mein Fühlen, du wirst mich neu beleben!

Bleibe bei uns, Gott, denn es will Nacht werden und der Tag hat sich geneigt; öffne uns am neuen Morgen die Augen für die Menschen um uns; schenke uns ein Wiedersehen ohne Gram und Groll für das, was war und das, was kommt.

Abendsegen | Mittwoch, 25. Mai 2016

Bei einer Führung durch das bald 1000 Jahre alte Kloster Engelberg macht uns ein Mönch auf einen Tisch aufmerksam, der wie verloren in einem leeren Zimmer in der Ecke steht. Ein handwerklich begabter Mitbruder habe einen alten Küchentisch restauriert und nebenbei mit ein paar Einlegearbeiten versehen. Nun sei der Tisch so schön geworden, dass er einfach nicht mehr zu gebrauchen sei. Seither steht er zum Bestaunen da, abgedeckt mit Glasplatte, in der Ecke.
Eine katholische Kollegin sagte spontan: „Wie bei Maria! Da steht sie auf den Bildern, beladen mit kostbaren Dingen, die sie nie in Händen gehabt hat, in adliger Gestalt, die sie nie gewesen ist; steht blass in all den Ecken der Verehrung. Und wir hätten die Maria der schmutzigen Töpfe, die ihrem Sohn auch mal Linsen gekocht und den Schlafplatz am Lehmboden gewischt hat, als Freundin und Schwester so nötig in unserer Nähe..“.

Der Maria gleich schenke Gott auch uns Frieden; Wohlergehen dem Leib, Heil der Seele, Ruhe dem Geist und der Welt eine Ahnung vom Frieden.

Abendsegen | Dienstag, 24. Mai 2016

Ausweglos, aussichtslos, hoffnungslos – diese Worte lösen bei uns ein Gefühl der Ohnmacht aus, dem Gang der Dinge ausgeliefert zu sein. Dagegen erzählt der Filmemacher Alexander Kluge eine kluge, ja trotzige Geschichte:
Ein Kammersänger wird im Interview gefragt, wie er denn im 1. Akt mit einem Funken Hoffnung singen könne, wo er doch wisse, dass die Oper im 5. Akt schlecht ausgeht. Er antwortet: „Das weiß ich im 1. Akt noch nicht.“ Die Interviewerin erinnert ihn daran, dass er das Stück zum 42. Male spiele und daher wissen müsse, wie es ausgeht und fragt noch mal: „Wieso spielen Sie mit diesem Funken Hoffnung im Gesicht? Es ist doch in 42 Aufführungen nicht gut ausgegangen!“ Da sagt er: „Könnte aber doch!“

Gott begleite die Wandlungen unseres Lebens, die Gabe seines Geistes stärke uns am Abend und am Morgen und allezeit!

Alexander Kluge, Die Macht der Gefühle, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1984, 77-79
(gekürzt)

Abendsegen | Montag, 23. Mai 2016

Wenn es Menschenwitz gibt, dann gibt es auch Gotteswitz. Wo fragen wir da am besten nach? Natürlich im Judentum, dort sind die geistvollsten Auseinandersetzungen zwischen Mensch und Gott zu finden. Ein Beispiel:
Eine Gruppe führender jüdischer Wissenschaftler kommt zu dem Schluss, dass Gott heute eigentlich nicht mehr gebraucht wird. Sie diskutieren, wer zu ihm gehen soll, um es ihm schonend beizubringen. Ein Biochemiker wird schließlich ausgewählt.
„Wir brauchen dich nicht mehr“, sagt er zu ihm, „wir können uns jetzt selbst Menschen klonen.“ „Okay“, sagt Gott, „das muss ich natürlich respektieren. Aber lass uns, bevor du gehst, noch einen kleinen Wettbewerb im Menschenschaffen abhalten, einverstanden?“ Der Biochemiker nickt. „Einverstanden“, sagt er, „kein Problem“. Er bückt sich und hebt eine Handvoll Erde auf, um daraus einen Menschen zu formen. „Nein, nein“, sagt Gott, „so nicht. Jeder nimmt seine eigene Erde!“

Im Vertrauen auf Gott, den Schöpfer unserer schönen Erde, können Sie ihm den Tag überlassen und in Frieden schlafen gehen. Seine schützende Hand schenke Ihnen einen stärkenden Schlaf!