Abendsegen | Sonntag, 5. Dezember

Der zweite Adventssonntag geht zu Ende. Am Horizont wird Weihnachten deutlicher – das Fest der hartnäckigen Sehnsucht nach Frieden. Der Dichter Peter Huchel hat die Friedensahnung in Worte gefasst, die den Erfahrungen seiner märkischen Heimat entstammen, jener Wald- und Wasserlandschaft südlich von Schwielow- und Templiner See, spröde und schön wie die biblische Weihnachtsgeschichte.

Friede
Zugzeiten der Vögel.
In den stachligen
Grannen gedroschener Ähren
wohnt noch die milde Leere des Sommers.
In den Schießscharten des Wasserturms
wuchert das Gras.

Und der Friede Gottes, der unser Verstehen übersteigt, segne Ihren Schlaf und das Leben aller
Verletzten und Trauernden. Gelobt seist du, Gott, für den, der in deinem Namen kam.

Abendsegen | Sonnabend, 4. Dezember

Der Kirschzweig im großen Wasserglas, das schmale Aststück vom Apfelbaum, die Forsythie – heute heißen sie alle Barbarazweig, heute ist der Gedenktag der Heiligen Barbara aus dem 3. Jahrhundert. Die Geschichte der Kirche ist bevölkert mit Gelehrten, Asketen, Begriffsartisten – Herren. Aber Barbara wie Katharina, Dorothea und Margareta, sie gehören zu den schönen und mutigen Frauen des Glaubens. Barbara unterwarf sich keiner männlicher Macht, lebte und starb in der Hoffnung auf das Reich Gottes – wie der Zweig es abbildet: Heute ins Wasserglas gestellt, wird er zu Weihnachten erblühen – so hoffen wir…

Der Gott aller Hoffnung möge Ihren Schlaf bewahren, Sie nicht aus seiner Hand gleiten lassen und segnen, was wachsen will!

Abendsegen | Freitag, 3. Dezember

Was ist eigentlich Anstand? Anstand ist altmodisch, also etwas, das es schon seit langem gibt und sehr gut aussieht. Meine Schweizer Kollegin Jacqueline Keune sagt:“ Wenn ich Anstand sage, dann meine ich Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme, meine ich Gesten und Sprache, die nicht endlos ich wiederholen. Der Anstand, den ich meine, schenkt den Menschen Bedeutung, weicht aus, wo es eng wird, lacht nicht unbesehen laut mit. Mir ist die Gleichberechtigung der Geschlechter auch wichtiger als ein bisschen Höflichkeit. Doch möchte ich, dass mir die Schülerinnen und Schüler zum Unterrichtsbeginn die Hand geben, und ich will ihnen die Hand geben und ins Gesicht schauen und guten Tag sagen“.

Gott segne Sie mit einer ungestörten Nachtruhe, einem erholsamen Schlaf und schenke Ihnen ein anmutiges Wochenende!

Abendsegen | Donnerstag, 2. Dezember

Adventszeit ist Zeit der Märkte. Märkte haben ihren Reiz, blakende und zischende Lampen erhellen geheimnisvolle Auslagen, man kann Fremdes entdecken; es muss nicht immer Glühwein sein, der das Herz erwärmt. Ein besonderer Markt ist der Chanukkamarkt im Jüdischen Museum. Gestern Abend begann das achttägige jüdische Chanukka-Fest – ein Lichterfest; der niemals erlöschende Leuchter steht im Mittelpunkt. Er erinnert in seinem Leuchten an die helfende Gegenwart Gottes. So soll er im Fenster stehen, gleichsam als leuchtendes Bekenntnis zu Gott. Es ist ein sinnliches Fest mit Geschenken, gutem Essen, Spielen und Musik, Weihnachten sehr ähnlich, so dass man in Berlin gerne von Weihnukka spricht, auch ein Beitrag zur Integration…

Und Gott, der das Licht schuf, segne auch die Dunkelheit unserer Nacht, er segne die Stadt, in der wir alle leben, er segne die Menschen, die uns tragen, jetzt und immer.

Abendsegen | Mittwoch, 1. Dezember

Heute am 1. Dezember besannen sich viele Menschen auf den Welt-Aids-Tag. Der Londoner Rabbiner Lionel Blue erzählt vom Besuch auf einer Aids-Station im Krankenhaus:
„Danke“, sagte der Kranke höflich und seufzte, „ich habe genug Zuspruch erfahren. Es ist ein Unterschied, ob man drüber redet oder ob’s einen selbst erwischt hat.“
„Was brauchen Sie dann?“, fragte ich ihn. „Hilfe bei den kleinen Sachen, zum Beispiel, wenn ich in die Badewanne steigen will, oder beim Einkaufen, auch eine Fahrt ins Grüne wäre himmlisch. In meinem Zustand sind es die kleinen Dinge, die aufbauen oder fertig machen.“
Er hatte Recht, ich werde nicht mehr groß daherreden, sondern die kleinen Dinge tun.“

Der Gott aller Hoffnung möge Ihre Nacht segnen mit stärkendem Schlaf, mit einer Ahnung von Trost, einer Ahnung von Hoffnung, einer Ahnung von Lebendigkeit!

Abendsegen | Dienstag, 30. November

Essen ist Leben, so hieß vor wenigen Wochen eine Themenreihe in diesem Sender. Mir fiel dazu ein Gedicht von Rose Ausländer aus Czernowitz in der Bukowina ein:

„Eine Freundin
backt mir Honigkuchen.

Es duftet nach Mutter
schmeckt nach Kindheit

die blüht noch in mir

Bienen trinken Blütensaft
die tote Mutter
schaukelt mein Bett
und singt alte Kinderlieder

Eine Scheibe Honigkuchen
verwandelt die Welt.“

Gott möge Ihre Träume segnen mit Bildern der Kindheit, mit Lachen und Licht, Brot und Honigkuchen.