Worte für den Tag | Sonnabend, 2.12.2006

Ein düster verhangener Abend im frühen Herbst, die Dorfstraße auf der Grenze zwischen Berlin und Brandenburg ist schlecht beleuchtet, es regnet unaufhörlich. Wo ist das evangelische Gemeindehaus? Doch, es gibt eins, ein Lichtschein lädt ein und die Tür ist unverschlossen, aber es muss der Hintereingang sein, denn an der ersten Zimmertür steht: „Küche! Zutritt nur für Berechtigte!“ Nun mag es hundert gescheite Gründe für diese barsche Begrüßung geben, nur: Einladend ist sie nicht. In der Bibel wird man diesen Ton nicht finden! Gewiss, ich kenne kirchliche Amtsstuben, auch sehr bedeutende, in denen auf jeder Stirn geschrieben steht: „Was immer du auf dem Herzen haben mögest, lieber Christ, fasse dich kurz, wir sind hier vollbeschäftigt!“ Freundlichkeit und Höflichkeit, Grüßen und Begrüßen werden als Schmuck des Christentums nicht immer angelegt.
Doch hier, bei der Küche und dem „Zutritt nur für Berechtigte“ geht es noch um mehr, es geht um Gastfreundschaft! „Wer Gastfreundschaft gerne übt, dem gehört das Paradies!“, sagt eine jüdische Weisheit und die Einladung zu einer Tasse Kaffee in der Küche heißt bei holländischen Christen das „dritte Sakrament“(..). Wenn es der Bibel ernst wird mit der Gegenwart Gottes, dann erzählt sie, wie Gott zu Besuch kommt, zum Beispiel zu Abraham, wie Gott allen den Tisch deckt und wie man „schmecken und sehen soll, wie freundlich der Herr ist“. Von der Gastfreundschaft bis zur Verheißung des Asylschutzes reicht der Bogen dieser Einladung: „Du bist willkommen!“. „Übt Gastfreundschaft!“ ist die Grundermahnung biblischer Lebenspraxis. „Die Tür ist offen, das Herz noch mehr!“ steht über der Eingangspforte vieler Klöster. Italienische Armenpriester fragen in ihrer Regel: „In wie viel Küchen hast du diese Woche gesessen?“ Man muss nicht so weit gehen wie Bischof Arns von Sao Paulo in Brasilien, der seinen Bischofspalast kurzerhand zugunsten der Armenspeisung versteigerte, aber biblisch gesehen ist klar: Keine Gottesbegegnung ohne Gastfreundschaft!
Morgen beginnt die Adventszeit – eine gute Gelegenheit, andere einzuladen und zu bewirten. In einem urchristlichen Brief steht: „Gastfrei zu sein vergesst nicht! Dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt!“