Worte für den Tag – Worte auf den Weg | Mittwoch, 24. Juni 2009

Die Geschichte spielt in Berlin, im 18. Jahrhundert, und zwar in der Nachkriegszeit. Eine junge Adlige, sie heißt Minna von Barnhelm, sucht ihren Bräutigam, den sie im Krieg verloren hat. Sie findet ihn, und es gibt ein Happyend. Doch die Geschichte ist bitter. Der Bräutigam der jungen Frau hat im Krieg seine körperliche Unversehrtheit, sein Geld und ungerechterweise auch seinen guten Ruf verloren. Jetzt ist er der unerschütterlichen Überzeugung, er könne es Minna nicht mehr zumuten, seine Frau zu werden. Sein Name ist „von Tellheim“, besser: „Major von Tellheim“, aber die Geschichte, die Gotthold Ephraim Lessing erzählt, heißt nach ihr „Minna von Barnhelm“.
Sie ist aktuell: Denken wir an einen jungen Mann, der durch einen Verkehrs- oder Sportunfall querschnittsgelähmt und erwerbsunfähig wird. „Ich kann dich nicht heiraten“, sagt er zu seiner Freundin, „ich würde dir nur zur Last fallen, das will und kann ich nicht, es würde die Hölle für dich werden – und damit für uns beide.“ Der Major von Tellheim war so erzogen worden, dass er es nicht annehmen konnte, als Mann von einer Frau einseitig abhängig und ihr zur Dankbarkeit verpflichtet zu sein. Er weigerte sich, die Liebe seiner Verlobten zu akzeptieren. Männer meinen, dass sie die Überlegenen sein müssen. Es gibt gewiss auch Frauen, die sich nicht gern allzeit beschenken lassen – doch meine Frage lautet: Wo steht geschrieben, dass man sich schämen muss, wenn man auf Hilfe angewiesen ist? Ist das eine Schande? Gerne würde ich den biblischen Gedanken „Alles hat seine Zeit…“ weiterdenken und sagen: „Helfen können hat seine Zeit, und sich helfen lassen hat seine Zeit; tragen hat seine Zeit und sich tragen lassen hat seine Zeit…“ Viele Menschen haben ernsthaft Mühe damit, wenn andere Menschen ihnen helfen, obwohl schon unsere Geburt, unser erster Lebensschrei ein einziges Geschenk sind… „ Was aber hast du, das du nicht empfangen hättest?“ fragt der Apostel Paulus und fasst mit diesem winzigen Satz unser ganzes Leben mit unserem Können, Verstand und Muskelkraft zusammen. Nehmen unsere Kräfte früher oder später ab, machen wir irgendetwas falsch – wir sollten mit der Liebe und Hilfe Gottes und der Menschen rechnen und ab und an ein Zeichen den anderen geben, dass wir sie brauchen. Die Geschichte von Minna von Barnhelm und Major Tellheim geht auch gut aus…