Abendsegen | Sonntag, 20. Dezember 2009

Yehudi Menuhin, der große Musiker, hat Lebenserinnerungen geschrieben: „Unvollendete Reise“ hat er sie genannt. Einmal schreibt er über die Interpretation eines Musikstückes: „Im Idealfall würde man eine Passage ganz gleichmäßig spielen und gerade so viel Unregelmäßigkeiten zulassen, dass ein Element der Lebendigkeit spürbar bleibt.“
Für Menuhin ist diese kleine Unregelmäßigkeit, diese Lebendigkeit „La part de Dieu – Gottes Teil“. Er sagt, das sei es, wovon jede „Aufführung fast unbewusst bestimmt sei.“ Ich finde das wunderbar: Die Noten so exakt wie möglich – und dann ein kleiner Spielraum zwischen den Noten, den wir nicht in der Hand haben, der alles bewegt und belebt: Gottes Teil.

Gott segne uns alle in unserem angestrengten Leben mit jenem kleinen Teil von überraschender Lebendigkeit, der unsere Tag- und Nachtzeit immer erneut so köstlich macht.