Abendsegen | Dienstag, 24. Mai 2016

Ausweglos, aussichtslos, hoffnungslos – diese Worte lösen bei uns ein Gefühl der Ohnmacht aus, dem Gang der Dinge ausgeliefert zu sein. Dagegen erzählt der Filmemacher Alexander Kluge eine kluge, ja trotzige Geschichte:
Ein Kammersänger wird im Interview gefragt, wie er denn im 1. Akt mit einem Funken Hoffnung singen könne, wo er doch wisse, dass die Oper im 5. Akt schlecht ausgeht. Er antwortet: „Das weiß ich im 1. Akt noch nicht.“ Die Interviewerin erinnert ihn daran, dass er das Stück zum 42. Male spiele und daher wissen müsse, wie es ausgeht und fragt noch mal: „Wieso spielen Sie mit diesem Funken Hoffnung im Gesicht? Es ist doch in 42 Aufführungen nicht gut ausgegangen!“ Da sagt er: „Könnte aber doch!“

Gott begleite die Wandlungen unseres Lebens, die Gabe seines Geistes stärke uns am Abend und am Morgen und allezeit!

Alexander Kluge, Die Macht der Gefühle, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1984, 77-79
(gekürzt)