Worte für den Tag – Worte auf den Weg / Freitag 26. April

„Es kommt immer anders, wenn man denkt“ – Augenblick, wie war das? Fehler, oder? „Es kommt immer  anders, als man denkt“? Das ist doch die alte Warnung, die kluge Wappnung vor der Enttäuschung, dass Erwartetes nicht eintrifft. Eben hieß es aber „Es kommt immer anders, wenn ist eher eine Verheißung, das klingt nach Kant, meint selber-denken kann den Verlauf verändern. Steht auf einer Postkarte. „Es kommt immer anders, wenn man denkt“, das ist spielerischer Ernst, das ist sehr gut, weil es so viel kummervollen, schmerzlichen und blutigen Ernst gibt.

Ich betrachte ein Foto aus dem Jahr 2005: Gerhard Schröder und Wladimir Putin stehen in Königsberg am Grab Immanuel Kants; beide machtbewusst, herrschaftsbewusst. Schröder legt einen Kranz nieder, Putins spricht vom gemeinsamen Mitbürger Kant. Der sagt nichts. Kann er nicht mehr. Mitbürger aus Litauen und Polen sagen auch nichts; sind nicht eingeladen. Die üben wie Kant das Selber-denken, was in Putins Reich riskant ist. Ob Putin auch den Aufsatz des Mitbürgers Kant zum „ewigen Frieden“ gelesen hat? Da steht nämlich zu lesen, Friede sei ein Zustand des Krieges, er muss also erarbeitet werden. Es soll keinen Friedensschluss geben, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Krieg gemacht werden könnte. Das ist Kants Linie: Ein Frieden darf keine Ursache zu künftigem Krieg enthalten. Das ist der Nerv augenblicklicher Debatten um einen Frieden in der Ukraine. Kant will damals als einzige Lösung weltweite Freundschaft, einen Völkerbund, den Verzicht auf nationale Souveränität. Kant weiß: Das braucht Zeit. Es geht um eine radikale weltweite Verbundenheit! 

Ich kann nicht erkennen, dass Kant einen Blick zu den biblischen Propheten geworfen hat, sie waren hier Vordenkende. Im Buch vom Wort Gottes heißt es, z.B. bei den Propheten Micha und Joel, dass die Völker nach Jerusalem strömen; Gott wird ihnen Weisheit und Weisung geben, Kriegsgeräte werden überflüssig, deshalb werden die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Schwerter zu Winzermessern. Dadrin sind keine neuen Kriege verborgen, kantgemäßer geht es nicht. Der moderne Hoffnungsphilosoph und bibelgeprägte Ernst Bloch sieht hier das Urmodell der befriedeten Internationale. Das Ende jeden Machtgehabes. 

Quelle: Das Photo ist gedruckt in „ ZEITGeschichte, 2024/1, KANT“, S.8