Zum Schulbeginn, Montag 8. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Erster Schultag – ein ersehnter, gefürchteter, ein aufregender Tag ist gekommen! Die Großen Ferien sind zu Ende, der erste Schultag fängt an! Für die kleinen Schulanfänger ein ganz wichtiger Einschnitt im Leben. Sie werden viel lernen, nicht zuletzt, wie man in Gemeinschaften zurechtkommt. Das wird nicht schmerzfrei zugehen. Für mache ältere Schülerinnen und Schüler beginnt das letzte Schuljahr, die letzten Semester – bald wird eine Zeit hinter ihnen liegen, in der sie zu einer Klassengemeinschaft gehörten, in der sie Freunde gefunden haben, in der sie von engagierten verständnisvollen Lehrkräften viel gelernt haben, aber sich auch von manchen unter Druck gesetzt fühlten. Warum muss ich zur Schule gehen? Wer kennt nicht den Stoßseufzer aus Schüler- und Lehrermund? Die Schule gehört irgendwie zum Leben wie Zahnarztbesuche und Regenwetter, wir würden gern darauf verzichten, aber sie ist doch eine ganz großartige menschliche Erfindung.

„Warum muss ich eigentlich in die Schule gehen?“, fragt der kleine Tobias seinen Onkel, als der schon auf dem Bahnsteig steht. Dummerweise fährt in diesem Moment der Zug ein und die Frage bleibt unbeantwortet. So bekommt Tobias die Antwort in Briefen von seinem Onkel, der heißt Hartmut von Hentig und ist der liebenswürdigste deutsche Pädagoge der Gegenwart. Im September wird er 80 Jahre alt! Seine Briefe sind gescheit, charmant und schön, sie richten sich an Kinder, die werden viel Spaß daran haben. Auch die Erwachsenen, Eltern wie Pädagogen, können sie mit Gewinn lesen, denn: wer hat keine Sorgen mit der Schule? Hartmut von Hentig hat diese Briefe gesammelt unter dem Titel:„Warum muss ich zur Schule gehen?“
So lange es Menschen gibt, gibt es Schulsorgen. In der jüdisch-christlichen Tradition heißt es sehr radikal: „Die Zukunft der Welt ruht auf dem Atem der lernenden Kinder“ oder: „Wo keine Kinder sind, da sind keine Schüler, wo keine Schüler sind, da sind keine Gelehrten und Propheten, wo keine Propheten sind, lässt Gott seine Gegenwart nicht ruhen“. Jesus sagt prägnant: „Amen, ich sage euch, nur wer das Reich Gottes wie ein Kind annimmt, also lernend annimmt, wird dort hineingelangen“. Wir Erwachsenen sollen neugierig und aufmerksam lernend im Leben bleiben – wie die Kinder. Deshalb die Geschichte von Sandra:
Der Vater klopft morgens an die Tür von Sandra und ruft: „Sandra, wach auf!!“ Sandra ruft zurück: „Ich mag nicht aufstehen!“ Darauf der Vater, etwas lauter: „Steh auf, du musst in die Schule!“ „Ich will nicht zur Schule!“, „Warum denn nicht?“, fragt der Vater. „Aus drei Gründen“, sagt Sandra, „Es ist so langweilig, die Kinder ärgern mich, ich kann die Schule nicht ausstehen!“ Der Vater erwidert: „Drei Gründe, wieso du in die Schule musst: Erstens ist es deine Pflicht, zweitens bist 34 Jahre alt, und drittens bist du die Klassenlehrerin!“