Worte für den Tag | Montag, 27.11.2006

Der Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt, war gestern. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III widmete 1816 diesen letzten Sonntag im Kirchenjahr (..) der Erinnerung an die Verstorbenen und dem Nachdenken darüber, dass auch wir sterben müssen.

Ein sehr ernster Tag also gestern. Doch am Ende der Woche steht der erste Advent. So geben sich der Ernst des Totengedenkens und die Freude der Weihnachtserwartung in dieser Woche die Hand. Die Dunkelheit soll weichen, das Licht sich verstärken. Aber das Licht hat es schwerer. Was kann es gegen den Tod ausrichten? Kann es ihn ausblenden?
(..) Der Tod ist ein erbarmungsloser Zerstörer. Er bricht das Leben ab. Er zerschneidet die Fäden, die Menschen miteinander verbinden. Nie mehr werde ich die Hand des Menschen halten, den ich geliebt habe. Nein, der Tod ist eine große Unverschämtheit; der Totensonntag ein sehr ernster Tag. Und doch, und doch: Was ist der Mensch? fragt die Bibel. Nur sterblich? Nein, er ist klein und groß, hilfsbedürftig und aus eigener Kraft lebend, er ist von anderen abhängig und selbstständig.
Was ist der Mensch? Vor allem dies: Im Leben wie im Sterben sind wir Mit-Menschen, sind wir aufeinander, auf die Hilfe anderer angewiesen. Wir bitten um Hilfe und werden gebeten. So wird Menschlichkeit zur Mitmenschlichkeit. Davon handelt eine kleine Geschichte aus der jüdischen Tradition. Sie hat zu tun mit dem Nachdenken über die Erschaffung des Menschen und mit dem, was den Menschen zum Menschen macht.
Ein Frommer (.) fragte einmal einen Bibel-Lehrer nach der Paradiesesschlange, die Gott verflucht hat, weil sie den Menschen dazu verführte, vom Baum der Erkenntnis zu essen. – Darum sollte die Schlange fortan auf dem Boden kriechen und Erdstaub fressen. Das verstehe er nicht, sagte der Mann, das sei doch keine Strafe, das sei doch eher ein Segen, denn wenn die Schlange Erdstaub fressen solle, dann sei sie doch das einzige Wesen, das immer zu essen habe! „ Ja“, erwiderte der Bibel-Lehrer, „sie wird nie um etwas bitten müssen. Das ist ihre Strafe.“