Was ist der Mensch? Ein ernste Frage für diese ernste Woche zwischen dem Totensonntag und dem ersten Advent. Die Bibel weiß viele Antworten, nicht alle sind so scharf wie die im Buch Hiob: „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe. Er geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und kann nicht bleiben“
Ganz im Gegensatz dazu heißt es im Psalm 8 an Gott gewandt: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, das Menschenkind, dass du genau nach ihm siehst!? Du hast es um weniges geringer gemacht als einen Gott, mit Würde und Glanz es gekrönt“. Mit Würde und Glanz ist der Mensch gekrönt – das erinnert an den Artikel 1 des Grundgesetzes: „ Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Was heißt das? Heißt es: Die Würde des Menschen darf um keines noch so hohen Zweckes willen angetastet werden? Das setzt voraus, dass sie durchaus angetastet werden kann. Oder meint der Satz: Was immer mit einem Menschen geschehen kann – es gibt da eine Würde, die unverletzlich ist, eine Würde, die unzerstörbar ist? Nichts kann aus dem Menschen ein würdeloses Geschöpf machen. Ist nicht beides im Grundgesetz zu hören: Menschenwürde in ihrer Unverletzlichkeit und ihrer Verletzlichkeit?
Von dem Theologen Fulbert Steffensky habe ich zwei neue Würden gelernt: Die Würde der Untröstlichkeit und die Würde der unbewiesenen Behauptungen. Die Würde der Untröstlichkeit lässt sich nicht trösten angesichts all dessen, was dem Leben angetan wird. Sie ist fähig zu vermissen: Gerechtigkeit zwischen den Menschen, den aufrechten Gang des Lahmen, das Brot für die Hungernden. Je größer wir vom Menschen denken, umso weniger können wir uns darüber hinwegtrösten, was ihm angetan wird. Wer darüber nicht leichtmäulig hinwegreden kann, hat die Würde der Untröstlichkeit. Und es gibt eine andere Würde: die Würde der unbewiesenen Behauptungen: Sie sagt: Gott sieht, hört, heilt, tröstet und bringt die Toten zum Leben! Einmal wird es sein! Die Wüste wird blühen und der Lahme wird tanzen! Das mag schwer sein zu glauben, das mag altmodisch sein, sogar kitschig klingen. Aber lieber des Kitsches verdächtigt werden, als die Versprechen für die Gequälten dieser Erde aufzugeben! Die Würde der unbewiesenen Behauptungen lobt Gott, als bräche sein Reich schon heute an!