DAS WORT – 04. Mai 2007

Wollen wir etwas sehr stark ausdrücken, sagen wir: Es schreit zum Himmel! Die Ungerechtigkeit auf der Erde schreit zum Himmel: Während die einen danach trachten, dass sie dem Überfluss immer mehr abgewinnen, sehen die anderen, dass die Welt sie vergessen hat und ihre Kinder an Hunger sterben. Die Welt unterwirft sich, ohne weiter zu fragen, den Gesetzen des Geldes. Wir können erkennen, wohin Geld strömt und wo der Absturz in die Verelendung geschieht. Schlimm ist die behauptete Unvermeidlichkeit des Ganzen: Eine Grundeinsicht setzt sich durch: „Man kann dagegen nichts tun, das ist zwangsläufig so.“ Da muss an den früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann erinnert werden, der in einer Debatte dazwischen rief: „Zwangsläufigkeit – das ist eine atheistische Kategorie!“ Was heißt das? Wer solche Entwicklungen als zwangsläufig hinstellt, hat die Hoffnung preisgegeben, dass Gott, unser Schöpfer, die Welt regiert und dass das Weltgeschehen am Maßstab der Menschlichkeit gemessen wird. Der Gedanke von der Zwangsläufigkeit ist so verführerisch, dass wir ihm nur mit einer großen Sehnsucht nach einem anderen Leben standhalten können.

„Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Und der Tod wird nicht mehr sein noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein!“, „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, dann werden wir sein wie die Träumenden“ – in diesen biblischen Worten hat die Sehnsucht ihre Sprache gefunden. Die Bibel ist nicht nur erfüllt von Worten der Sehnsucht, die Bibel ist ganz und gar ein Buch der Sehnsucht, sie ist das große Buch der Sehnsucht des Menschen. Im Hintergrund aller Sehnsucht steht Leiden. Aus Leiden wächst – wenn das Herz noch lebendig ist – Sehnsucht. Liebende haben Sehnsucht nacheinander, weil sie leiden unter der Trennung, Gefangene sehnen sich Freiheit, Kranke nach der Wiederkehr der Gesundheit, Erschöpfte nach Ruhe und Einsame nach Aufmerksamkeit anderer Menschen, so viele Elende nach dem Ende des Hungers, nach der Überwindung ihrer Armut. Und Arbeitslose nach einer sinnvollen und erfüllenden Tätigkeit. Unser ganzes Leben ist als ein Buch der Sehnsucht zu lesen. Wo wir der Sehnsucht nachgeben, werden wir verletzlich und schutzlos. Aber wir können auch aufstehen aus der Ohnmacht und aus der falschen Zwangsläufigkeit! In der Bibel heißt es: Ich will aufstehen und suchen, die Gemeinschaft, die Gerechtigkeit, Gottes Gegenwart.