DAS WORT – 05. Mai 2007

Anfang Juni findet in Köln der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag statt unter der Überschrift „Lebendig und kräftig und schärfer…“ Diese Worte aus der Bibel lauten im Zusammenhang: „Ja, das Wort Gottes ist lebendig, kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, es dringt durch Seele und Geist und geht durch Mark und Bein“. Ich hoffe, dass auch viele Menschenworte auf diesem Kirchentag lebendig und kräftig und scharf sind. Von einer Stimme auf vielen Kirchentagen konnte man das immer sagen: Es war Dorothee Sölle, die mit ihren Bibelauslegungen der Schärfe des Wortes Gottes Gehör verschaffen wollte. Sie kämpfte mit der Kraft des Wortes Gottes gegen den gottlosen Satz: „Ich kann ja sowieso nichts machen!“. Sie sagte: „Präziser kann man Gott nicht leugnen als mit diesem Satz!“. So stritt sie gegen den „Luxus der Hoffnungslosigkeit“, in dem sich gut leben lässt. Und sie stritt für die scharfen Geschichten der Bibel, wie die vom friedlichen Leben von Wolf und Lamm, von Lahmen, die gehen, und Blinden, die sehen können und dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Diese Stimme ist verstummt, Dorothee Sölle starb im Mai vor vier Jahren. (…) Nun hat ihr Mann, Fulbert Steffensky, eine sehr persönliche Schrift geschrieben mit dem Titel „Sterben in einer Gesellschaft der Sieger“. Daraus ein Ausschnitt: „Meine Frau hatte zehn Jahre, bevor sie starb, einen schweren und lebensbedrohlichen Zusammenbruch. Wir bangten. Wir gerieten in eine Wahnsituation…wir versuchten, in den Mienen der Ärztinnen zu lesen, wir interpretierten ihr Schweigen und ihre Handlungen. Bald wurden wir befreit von jenen wahrhaften Interpretationszwängen, weil sie absolut ehrlich zu uns waren. Sie machten keine Hoffnung, wo keine war. Sie versprachen nichts und vertrösteten uns nicht. Bald wussten wir, dass ihre Worte meinten, was sie sagten. „Die Wahrheit wird euch frei machen!“, heißt es im Johannesevangelium. Ihre schonungslose Wahrheit hat uns befreit von dem quälenden Zustand der Dauervermutungen. Krankheit ist eine Krise, man kann in Verbitterung erstarren, und man kann sich ergeben. Sich ergeben ist ein veraltetes Wort, das ich mag. Es heißt, sich aus der Hand geben, sich anvertrauen, es ist zu wenig, nur bei sich selber aufgehoben sein.“ Dorothee Sölle, die streitbare Prophetin der Kirchentage, hat sich am Ende ergeben, weil sie glaubte, dass Gott das Zerbrochene ansieht. Sie hatte es aus seinem Wort gelernt, das lebendig, scharf und kräftigend ist.