Abendsegen 9.2. – 15.2. 2009 rbb 88,8 21.58 Uhr

Gesendet wird der Abendsegen täglich um 21.58 auf rbb 88,8. Es ist ein meditativer Impuls am Tagesende, der mit einer frei formulierten Segensformel schließt. Sonntags gibt es die Möglichkeit, im Anschluss zwischen 22.00 und 23.00 Uhr anzurufen und das Gespräch aufzunehmen.

Abendsegen 9.2. – 15.2. 2009 rbb 88,8 21.58 Uhr

Montag, 9.2. 2009

Wer sich zu jung für eine Ehe fühlt und zu alt fürs freie Alleinsein, wählt die Freundschaft. „Gute Nacht, Freunde“, sagt man nach einem langen, gemeinsam verbrachten Tag, um dann in die eigenen vier Wände zurückzukehren –

dankbar für die erlebte Verbundenheit. Ein „Lob der Freundschaft“ stammt aus der Feder des jüdischen Schriftstellers Elie Wiesel. Er schreibt:

Was ist ein Freund? Die Erfahrung der Freundschaft prägt ein Leben ebenso tief, ja tiefer als die Liebe. Die Liebe läuft Gefahr, in Besessenheit auszuarten. Freundschaft bedeutet Teilhabe. Was ist ein Freund? Dank ihm darfst du schweigen, ohne dich schämen zu müssen.

Ein Sprichwort sagt, dass Freundschaft sich in der Not bewährt. Bei uns sagt man das Gegenteil: Die wahren Freunde erkennt man im Glück, denn nur sie sind nicht eifersüchtig, wenn ihr euch freut.

Der Abend ist die Zeit, für den Tag zu danken und auch für die Freunde, die unsern Weg begleiten.

Gottes Segen für die Nacht und den bevorstehenden Tag komme zu uns.

Dienstag, 10.2. 2009

Wir fragen uns, was ist Hass? Wie können wir ihn überwinden? Die Antwort liegt in unseren Händen. Eine Geschichte dazu…

Einem König kam zu Ohren, dass ein weiser Mann in seinem Reich lebte, der alle Sprachen kenne und die Gedanken anderer Menschen lesen könne. Der König suchte ihn auf und fragte: „Stimmt es, dass du die Gedanken anderer Menschen lesen kannst?“

„Ja, Majestät.“

„Beweise es mir“, befahl der König. „In meinen Händen auf dem Rücken halte ich einen

Vogel. Sag mir, lebt er, oder ist er tot?“

Der Weise bekam furchtbare Angst, denn er spürte, was er auch sagen würde, der König könnte den Vogel töten. Er schwieg eine Weile, und dann begann er zu lächeln.

Er blickte den König an und sagte: „Majestät, die Antwort liegt in deinen Händen.“

Gottes Segen für die Nacht und den bevorstehenden Tag komme zu uns.

Mittwoch, 11. 2. 2009

„Dass kann doch nicht wahr sein!“, da hat uns jemand vor den Kopf gestoßen, blöde, dumm und falsch dazu. Oder wir hören unglaubliche Nachrichten: von einem Kind, das bei Nacht aus der Eisenbahn gewiesen wird, von Gift in der Luft oder von Gammelfleisch im Gefrierfach. Das kann doch nicht wahr sein! Haben wir noch Kraft, uns zu empören? Wo kommt sie her, diese Kraft? Am besten aus der Liebe – findet der Schweizer Dichter Kurt Marti in seinem wütenden

Liebeslied

Traurig bin ich,
geh zur Ruh.
Decke mich mit
Deinem Körper zu.

Nackt und hilflos
Mund bei Mund:
draußen gehen
Feld und Wald zugrund.

Während Liebe
leben will,
droht uns höhnisch
schon der Overkill.

Eiszeit! Doch mit
Dir im Arm
fühl ich wieder
wütend mich und warm.
Gott segne das Ziel, für das wir leben.


Donnerstag, 12. 2. 2009

Das vergangene Jahrhundert liegt bald ein Jahrzehnt zurück. Wieder einmal Zeit, Bilanz zu ziehen. Das tut die polnische Dichterin Wislawa Szymborska in ihrem Gedicht:

„Das Ende des Jahrhunderts“

Einige Unglücksfälle
sollten nicht mehr geschehen,
zum Beispiel Krieg, Hunger und so.

Die Wehrlosigkeit der Wehrlosen,
das Vertrauen und so weiter
sollten Achtung genießen.

Gott sollte endlich glauben dürfen

an einen Menschen, der gut ist und stark,
aber der Gute und Starke
sind immer noch zweierlei Menschen.

Wie leben? – fragte mich jemand.
Weiter und so wie immer, es gibt keine Fragen,
die dringlicher wären als die naiven.
Gott bewahre unsere Hoffnung mit seinem Segen.


Freitag, 13. 2. 2009

Wir hören sie am Morgen als erste und noch am Abend schwirren sie durch die Dunkelheit: die Spatzen. Sie sind immer und überall lebendig. – Man sollte sich an ihnen ein Beispiel nehmen, findet Carl Zuckmayer in seinem Gedicht:

Lob der Spatzen

Sie leben unter Palmen, Fichten, Zedern,
und auch in jedem Straßendreck.

In Ingolstadt und in der City Boston,
am Hoek van Holland und am Goldnen Horn
ist überall der Spatz auf seinem Posten
und fürchtet nicht des Schöpfers Zorn.

Herr, gib uns Kraft und Mut wie Deinen Spatzen,
mach unser Leben ihrem Rinnstein gleich.
Dann mag wer will von edleren Tauben schwatzen,
denn unser ist Dein gutes Erdenreich.
Gottes Güte blitzt auf, wenn er uns die Spatzen morgen wieder als erste hören lässt. Der Segen und die Güte Gottes führe uns vom Abend zum Morgen.


Sonnabend, 14.2. 2009

Im heutigen „Abendsegen“ erzählt Rabbiner Lionel Blue vom Morgensegen seiner Kindheit:

„Als Kind empfing ich jeden Morgen zwei Segen, zu Hause und in der Schule. Der morgendliche Segen bedeutet mir viel: Mein Großvater drückte mich an sein Zwerchfell und betete in tröstlichen Worten: „Breite Deinen Tempel des Friedens über ihn aus…Engel und Erzengel seien zu seiner Rechten und zu seiner Linken.“ Aus der Küche bekräftigte meine Großmutter mit einem seufzenden „Amen, Amen“. In der Schule war der Segen anderer Art. Wenn ich mich gut betragen hatte, würde mich eine sittenstrenge Gottheit aus fernen Himmeln segnen, doch muss ich immer an Opa und Oma denken und ihre rührenden Segenssprüche, die mir lieber gewesen sind.“

Gott segne uns mit der Liebe zum Leben, er behüte unsere Wachsamkeit für Alte und Junge.


Sonntag, 15. Februar

Für viele Berufsgruppen ist der Sonntag ein normaler Arbeitstag. (..) Einzelhandelsverbände wollen mehr verkaufsoffenen Sonntage. Bei Service-Centern in Tankstellen brummt das Geschäft. Aber: Er ist auch der einzige Tag, an dem die Familie Zeit füreinander hat. (…) Oft sind es die Kinder, die den Erwachsenen die Wahrheit sagen. Ich fand den Brief einer Achtjährigen an ihren Vater:

Lieber Vater. Du bist immer am Arbeiten. Ich schreibe Dir nun diesen Brief, warum es wichtig ist, nicht immer zu arbeiten:

1. Damit du auch mal zu Hause bist!
2. Damit du dich nicht überanstrengst!
3. Damit du kein dösiger Dusel mit einer Matschbirne wirst!
4. Damit du nicht gestresst bist!
5. Damit du zu Hause nicht der Schrecken der Familie bist!

Ich weiß nicht, wie Ihr Sonntag aussah, aber die Kinder haben recht. Wir Erwachsenen müssen mehr auf sie hören! Gottes Segen stärke unsere Gemeinschaft und schütze unsere Zeit füreinander.


Abendsegen 23.2. – 1.3. 2009

Montag, 23.2.2009

Wer nach Worten sucht, die aus der Tiefe des Herzens kommen, findet sie in den Psalmen der Bibel. Von Bedrängnis und Trost spricht der 4. Psalm. Der Schriftsteller Arnold Stadler hat ihn neu übersetzt:

Wenn ich rufe,
höre mich doch! Gott, du mein Retter!
Als ich am Ersticken war,
hast du mich beatmet, hast du mich
wieder belebt.
Du warst mein Atem.

Es ist ein Wunder, wie er den Seinen hilft.
Ja, ich werde mich getrost hinlegen
und einschlafen

Dies ist mein Nachtgebet:

Du allein lässt mich in Frieden schlafen.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht unter Gottes Schutz.


Dienstag, 24.2. 2009

Sehnsucht, Verzweiflung, Glück – in keinem Buch der Bibel hören wir sie so leidenschaftlich singen wie im Hohen Lied:

Wer ist sie, die heraufsteigt aus der Wüste,
an ihren Geliebten gelehnt?

Leg mich wie ein Siegel
an dein Herz,
wie ein Siegel an deinen Arm.
Denn stark wie die Tod
ist die Liebe.
Hart wie das Grab
ist meine Leidenschaft.
Wasser können die Liebe nicht löschen
und Fluten sie nicht überschwemmen.
Ich wünsche Ihnen den Segen einer heilenden und viel versprechenden Liebe!


Mittwoch, 25. 2. 2009

Fremde Welten durchwandern, andere Menschen verstehen lernen – dazu muss man das Haus gar nicht unbedingt verlassen. Man muss nur lesen. Lesen ist ein Akt der Freiheit! Der israelische Autor Amos Oz wuchs in einer engen Wohnung auf – mit einem weiten Horizont, denn Bücher gab es genug:

…Bücher gab es bei uns in Hülle und Fülle, sie waren überall, von Wand zu Wand, in den Zimmern, im Flur und in der Küche und auf jeder Fensterbank. Tausende in

allen Ecken. Menschen werden geboren und sterben – Bücher sind unsterblich. Als kleiner Junge wollte ich ein Buch werden. Nicht Schriftsteller, sondern ein Buch. Menschen kann man wie Ameisen töten. Aber Bücher – es bestand immer die Chance, dass irgendein Exemplar überlebte, in einer Ecke einer Bibliothek, in Reykjavik, in Valladolid oder in Vancouver.

Von Gott wissen wir – wie Juden und Muslime – durch ein Buch. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Lektüre, die zu den schönsten Träumen führt!


Donnerstag, 26.2.2009

Der Weg durch den Tag kommt in diesen Stunden an sein Ende. Das Bild vom Weg beschreibt unser Leben oft: Wir brechen auf, setzen uns in Bewegung, sind unterwegs, bringen etwas auf den Weg, sind von etwas bewegt, manche handeln sogar verwegen, einige suchen einen Weg. Davon handelt diese Geschichte, die Martin Buber überliefert hat:

Es hat sich einst einer im tiefen Wald verirrt. Nach einer Zeit verirrte sich ein zweiter und traf auf den ersten. Ohne zu wissen, wie es dem ergangen war, fragte er ihn, auf welchem Weg man hinausgelange. „Das weiß ich nicht“, antwortete der erste, „ aber ich kann dir die Wege zeigen, die tiefer ins Dickicht führen, und dann lass uns gemeinsam nach dem Weg suchen.“

Gemeinsam nach dem Weg suchen! Der einzige Rat, den wir uns geben können. Gott, segne unseren Blick zurück und unseren Schritt nach vorn. Sei treu, Gott, heute Abend und morgen auch.


Freitag 27. 2. 2009

Der Frühling steht vor der Tür. Ist er nicht die Jahreszeit, an die wir uns am besten erinnern?

Der Frühling hat so viel vom Zauber der Anfänge. Aber davor steht der seltsame Übergang, der ungewisse März, den Günter Eich in seinem Gedicht beschreibt:

Manche hoffen noch,
das Jahr werde hier enden.
Aber die Abflüsse des Schnees
sind ohne Mitleid.

Schwarz von Schlaf
das Fell des Maulwurfs.
Ihm, der dir zugetan ist,
vergehen die Wochen,
während das Hagelkorn
auf deinem Handrücken schmilzt.

In eine Schiefertafel eingegraben
Kehrt die Kindheit zurück:
Das Gras richtet sich auf und horcht.
Gott segne uns alle und schaue unseren Wegen groß und gelassen zu!


Sonnabend 28.2. 2009

Morgen kommt der erste Märztag. Meteorologisch sind wir im Frühling, kalendarisch erst in drei Wochen – den heftig knospenden Bäumen ist das gleich.

Und wir stellen uns mit der Dichterin Rose Ausländer heute schon vor, was uns bald erwartet, wenn die Märzsonne wirklich wärmt:

Mit dem Akazienduft
fliegt der Frühling
in dein Erstaunen.

 

Die Zeit sagt
Ich bin tausendgrün
und blühe
in vielen Farben

 

 

Lachend ruft die Sonne
Ich schenke euch wieder
Wärme und Glanz

 

 

Ich bin der Atem der Erde
flüstert die Luft.
(….)

Gott segne die Nacht und den neuen Tag, dass wir vom Wind des Frühlings beflügelt werden!


Sonntag, 1. März 2009

Der erste Märztag ist fast vergangen, der Abend wird stiller. Der Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch bittet:

Unser Herr möge diese Stille segnen
Im Übrigen meine ich
Dass Gott unser Herr
Uns einen großen Sommer schenke

Den Familien einen Korb voll Ruhe
Dass er das Geschrei aus der Welt nimmt
Und denen ohne Arbeit die Hoffnungslosigkeit.

Gott, unser Herr, möge diese Stille segnen.

Möge diese Stille denen überall
In die Ohren blasen, die unsere Zeit
noch schneller machen möchten
und damit noch kürzer, noch atemloser.
Gott, unser Herr, wir bitten dich: Mach es!
Auf dass unser Herz wieder Luft schnappen kann.
Unser Auge aufhört zu zappeln.
Denen, die uns dies alles austreiben möchten,
möge Gott, der Herr, einen Blitz ins Gesäß jagen…
Amen

Dass Ihr Herz Luft schnappen kann – auch mitten im Getriebe der kommenden Woche, wünsche ich Ihnen. Dazu gebe uns Gott seinen Segen in Stille, Stärke und Hilfe zu allem Guten.