Worte für den Tag | Montag, 10. Mai

„Damit ihr Hoffnung habt“ – unter diesem Leitwort beginnt übermorgen in München zum zweiten Mal ein „Ökumenischer Kirchentag“, bei dem Christen aller Kirchen und Konfessionen zusammenkommen werden. Die Herausforderung eines solchen Treffens liegt darin,, dass die Reformation in Deutschland ihren Anfang nahm und damit die Spaltung des westlichen Christentums bis heute. Schärfer noch als anderswo stellt sich darum für uns die Frage: Wie leben Katholiken und Protestanten miteinander?  Mein Wunschtraum ist: Versöhnt verschieden !

Ausgrenzende Trennungen müssen überwunden werden, aber Unterschiede, Klangfarben des Glaubens, Dialekte der Frömmigkeit sind zu schützen und zu fördern. Versöhnt verschieden – das ist etwas anderes als der Wille zur Abgrenzung, zum Ausschließen! Das gemeinsame Projekt „Ökumenischer Kirchentag“ kann zu dieser versöhnten Verschiedenheit führen. Wo Protestanten und Katholiken gemeinsam auftreten, lösen sich die Missverständnisse und Klischees, von denen  Goethe sagte, sie „erben sich wie eine ewige Krankheit fort.“

Die versöhnte Verschiedenheit finden wir auch in der Bibel.  Da sagen die einen: „Das Reich Gottes ist schon da!“, die anderen „Das Reich Gottes wird erst kommen!“ Beide Aussagen haben nebeneinander Raum und können bestehen, wenn die jeweils entgegengesetzte die andere herausfordert. „Es ist schon da“ – „es wird erst kommen“ – meine protestantische Prägung ist eher pessimistisch, skeptisch, wenn ich mir den Lauf der Welt betrachte, finde ich:   „Das Reich Gottes steht noch aus“; aber ich kenne Katholiken, die das Lob der Gegenwart deutlicher sagen als ich, die mit Franz von Assisi auch die Sonne und den Wind loben.
Versöhnt finde ich unsere verschiedenen Haltungen in einer Geschichte der heiligen Theresia von Avila: Sie aß einst mit einem Priester zu Mittag. Am Ende gab es einen wundervollen Nachtisch. Der Priester aß mit schlechtem Gewissen und sagte: „ Wie verdorben ist die menschliche Natur, dass diese süße Speise uns von den Gedanken an Gott ablenkt!“ Theresia antwortet: „Wenn diese Zitronencreme schon so gut ist, wie herrlich muss erst unser Gott sein“! Die kleine tägliche Schönheit weckt die Sehnsucht nach der großen – vielleicht auch der Ökumenische Kirchentag!