Wort für den Tag | Sonnabend, 4. August 2012

Sie sollten nicht getrieben werden wie Tiere zur Schlachtbank. Dafür sorgte Janusz Korcak: Zusammen mit seiner Kollegin Stefania Wilczynska ging er an der Spitze des Zugs der 200 Kinder, die am 5. August 1942 in Warschau zu dem Platz befohlen waren, wo die Züge in den Tod nach Treblinka abfuhren. Und von diesem Platz wanderten heute vor 12 Tagen wieder viele Kinder zurück zu dem Ort, wo das Waisenhaus von Janusz Korczak stand. Mit diesem Weg zurück in das Leben ehrte Polen das Andenken seiner Kinder und ihrer Erzieher. Das größte Denkmal für sie ist das Kinder- und Gesundheitszentrum in Warschau. Dies Denkmal für die getöteten Kinder dient den lebenden Kindern. Hier spüren wir eine lebendige biblische Tradition. In der Bibel ist die Stellung zu den Kindern eine Bekenntnisfrage, unser Verhältnis zu Gott steht im Verhältnis zu den Kindern auf dem Spiel. Die Bibel beharrt darauf, dass den Kindern die gerechte Welt Gottes gehört.
Einmal brachten Mütter ihre Kinder zu Jesus, um sie segnen zu lassen. Seine Jünger versuchten die Frauen abzudrängen, aber Jesus schenkt den Kleinen seine ganze Aufmerksamkeit, nimmt sie auf den Arm, segnet sie – und das nicht als spontane Anwandlung! Seiner Zuwendung lässt er ein scharfes Wort folgen: „Lasst die Kinder zu mir kommen! Denn sie gehören zu Gottes Reich! Ja, ich sage euch: Nur, wer Gottes Reich wie ein Kind aufnimmt, wird dort hineingelangen!“
Ist uns diese Gotteserkenntnis zu einfach? Oder zu schwer? Gott – ein Liebhaber der Kleinen und Ungeschützten. Was hieße das im Weltmaßstab?
Unsere Stellung zu den Kindern berührt den Kern unseres Glaubens. Deshalb ist die Erinnerung an Janusz Korczak anlässlich seines 70. Todestages so wichtig.
Ich würde viel drum geben, einem Gespräch zwischen Jesus und Janusz in einem Waisenhaus am See Genezareth zuzuhören …Beide Juden wären sich einig gewesen: Ein Kind achten, das heißt, es in seiner Einzigartigkeit zu entdecken und zu würdigen: das flinke wie das langsame, das hellwache wie das träumende, das geschickte wie das ungeschickte, das anschmiegsame wie das freche…
Die Bibel vergleicht Menschen wie Korczak mit einem Baum, von dem gesagt wird, er bringe seine Frucht zu seiner Zeit. Dass wir doch ein Umfeld werden, in dem Kinder in Freiheit aufwachsen – umhegt, gepflegt und geachtet.