Worte auf den Weg | Sonnabend, 23. März 2019

Die beiden Frauennamen Pua und Schifra sind in der blitzenden glitzernden Medienwelt kaum bekannt, zwei ungehörte Namen, aber unerhört ist die Geschichte, die sich hinter ihnen verbirgt. Sie spielt in der Bibel, im alten Ägypten. Die Israeliten, wichtige Wanderarbeiter im Wohlstandsreich am Nil, haben das Recht bekommen, sich überall anzusiedeln, das mächtige Reich braucht sie als Fachkräfte -und sie werden mehr und mehr. Der Herrscher, der Pharao, bekommt Angst vor ihrer wachsenden Größe und möglicherweise ihrem Einfluss. Vielleicht kommt es zu einem Krieg und sie verbünden sich mit dem Gegner? Der Pharao beschließt, ihren Lebensnerv zu treffen, ihnen die Zukunft zu nehmen: Alle männlichen Säuglinge sollen getötet werden. Undwer soll das tun? Die Hebammen. Pua und Schifra sind Hebammen.

Aber die Mordmaschinerie gerät ins Stocken. Pua und Schifra greifen dem Räderwerk in die Speichen. Sie verweigern den Tötungsbefehl des ägyptischen Herrschers und tun alles, um die Neugeborenen am Leben zu erhalten – aus Gottesfurcht, sagt die Bibel. Sie leisten zivilen Ungehorsam gegenüber einer lebensfeindlichen Anordnung – ganz ohne Garantie des Gelingens. Ihr Handeln ist ein Bravourstück weiblicher List. Sie weisen auf die Kraft der israelitischen Frauen hin, die geboren haben, noch bevor die Hebammen kommen. Der Pharao glaubt das, und wir erleben die Geburtsstunde der Ammenmärchen; ein listiger Widerstand! Und, was ich am meisten bewundere, sie sagen nicht diesen entsetzlichen Satz: Wenn wir es nicht tun, tun es andere! Sie handeln in der Hoffnung, dass es gelingt, ohne Garantie, ohne Kalkül. Sie handeln ohne diese bestechende Hoffnungslosigkeit, die einen dispensiert von jedem Tun. Ihre Namen heißen übersetzt Schönheit und Glanz. Pua und Schifra – Sie hatten weniger Angst vor dem Tod als vor dem falschen Leben. Wenn das keine Schönheit ist, kein Glanz!

Wenn wir im täglichen Leben sensibler werden für bedrohtes und gefährdetes Leben, wird es uns leichter fallen, auch im öffentlichen Leben Todesmächte zu erkennen und gegen sie aufzustehen. Die Pharaonen heißen heute anders, aber die Namen Schönheit und Glanz können noch immer wir alle tragen.

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