Zwei sehr unterschiedliche Männer diskutierten vor kurzem in der Katholischen Akademie Dresden-Meißen ein herausforderndes Thema zur Europawahl – es ging um das Motto: „ Ich hasse nicht zurück!“ Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg, und Gregor Gysi, Spitzenstimme der europäischen Linken, saßen dabei auf dem Podium. Das Thema brachte Gysi zu der bewegenden Formulierung: „Meine Feinde lieben, wie Jesus gesagt hat, kann ich nicht. Aber: Ich hasse nicht zurück, lieber Herr Bischof .“
„Du sollst deinen Feind lieben“, diesen Satz hat Jesus uns ins Stammbuch geschrieben. Er hat ihn selbst gelebt wie auch viele andere tapfere Menschen, die in dieser Haltung starben. Jede und jeder von uns weiß, wie schwer uns schon Vergebung fällt, sogar gegenüber Menschen, die wir gern haben. Wie soll das dann gehen und aussehen: die Feinde lieben. Meine Gefühle sind gegenüber dem Feind ganz anders als gegenüber dem Freund. Ich lüge mir etwas vor, wenn ich so tun würde: Ich habe Sympathiegefühle für dich, komm her, lass dich umarmen!
Doch das ist in der Bibel auch nicht gemeint. Den Feind lieben ist kein Gefühl! Den Feind lieben ist ein Verhalten gegenüber einem Menschen, der mir übel will. Den Feind lieben heißt nicht: Ich habe dich gern. Den Feind lieben heißt: Obwohl du mein Feind bist, halte ich mich zurück. Ich lasse es nicht zur Eskalation kommen, schlage nicht zurück, intrigiere nicht, erkläre dich nicht zum Nichtmenschen, versuche, fair zu bleiben. Ich übe, nicht zurück zu hassen – ein ungeheurer Kraftakt. Nicht zurück hassen – die Spirale der Gewalt kann nicht anders durchbrochen werden. Es gibt Menschen, die diese Haltung gelebt haben. Antoine Leiris verlor bei dem Terroranschlag auf den Pariser Konzertsaal Bataclan seine Frau. Gegenüber den Touristen postete er im Netz: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht!“
Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem wir seine Einladung, so zu werden wie er, entschieden ausschlagen, dagegen das stärken, was den Hassenden so oft fehlt: Selbstvertrauen, Achtsamkeit und im Herzen Raum für Schöneres und Größeres als Hass.