Worte auf den Weg | Donnerstag, 19. März 2020

„Reich Gottes“ lautete das Losungswort der drei Freunde, Sie hatten ihr Pfarrerexamen bestanden und wollten nun – nein, sie wollten nicht dem Reich Gottes in der Evangelischen Kirche von Württemberg dienen, das wäre ja, als ließen sie sich als Rudersklaven auf einer Galeere nieder. Nein, an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert lag mit der Französischen Revolution etwas ganz anderes in der Luft: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Klang das nicht nach Reich Gottes? Die drei Freunde kannten die Gleichnisse vom Reich Gottes, wie Jesus sie in den Evangelien erzählte, vom „Verlorenen Sohn“, vom millimetergroßen „Senfkorn“, das zum riesigen Baum wird, sie kannten das Wort von Paulus: „Nicht im Essen und Trinken besteht das Reich Gottes, sondern in Gerechtigkeit, und Frieden und Freude im heiligen Geist.“ Nein, Atheisten wollten sie nicht werden, aber nur den verordneten Glauben weitersagen, das war ihnen zu wenig, das war ihnen zu eng. Das Reich Gottes vom Jenseits ins Diesseits verlagern, Selbständig Denken und Handeln im anbrechenden Reich Gottes – darauf kam es an! Und so schieden die drei Freunde mit dem Losungswort „Reich Gottes“; zwei von ihnen, sie hießen Hegel und Schelling, wurden Philosophen, auch in Berlin; der dritte, Friedrich Hölderlin, blieb den Landschaften am Neckar verbunden und dem Dichten und Trachten treu.

Morgen, am 20.März, jährt sich der 250.Geburtstag Friedrich Hölderlins – weltweit bekannt als der bedeutendste Dichter Deutschlands. „Hölderlin und die Bibel sind die einzigen Dinge auf der Welt, die sich niemals widersprechen können“, schrieb der jüdische Religionsforscher Scholem. Das ersehnte Reich Gottes kam trotz aller Umwälzungen um 1800 nicht. Hölderlin hat einen hohen Preis für seine ihn zerreißenden Hoffnungen bezahlt – für diese Welt verlor er den Verstand. Vielen gilt er als „umnachtet“, doch in dieser Nacht war mehr Licht als in mancher Leuchte. Reich Gottes – war sein Lebens-Losungswort. Diesem freien Glauben an das Reich Gottes blieb er treu, wenn er sagte: „Ich glaube an eine künftige Revolution der Gesinnungen…, die alles Bisherige schamrot machen wird. Und dazu kann Deutschland vielleicht sehr viel beitragen.“

Die Losung heute – immer noch: Reich Gottes.

Nachweis: Friedrich Hölderlin, Werke, 3 Bände, hrsg. von Michael Knaupp, Hanswer verlasg München, 1990, Bd.II, 643.