Worte für den Tag | Mittwoch, 7. Juli 2021

Auffallend viele Bücher erscheinen zur Zeit mit Titeln wie „Unter freiem Himmel“, „Kraftort Wald“, „Einfach raus!“, „Wieder Land sehen“, „Unsere einzigartige Erde“, „Für Natur“, es sind bebilderte Tipps zum Leben im Freien. Das ist der Pandemie geschuldet; wobei der Aufbruch etwas angestrengt klingt, Aufbruch mit Anleitung. Da klingt der Aufbruch bei Paul Gerhardt 1556 im Evangelischen Gesangbuch doch beschwingter:

„Geh aus, mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit…“ Paul Gerhardt, der große evangelische Liederdichter, schrieb vor fast 500 Jahren nach einem 30jährigen Krieg, also einer unvorstellbar tödlichen Pandemie, der damals größten menschlichen Katastrophe auf deutschem Boden.
Und: Er begann bei sich selbst. „Geh aus, mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Garten, schau an der schönen Gärten Zier und siehe wie sie dir und mir sich ausgeschmücket haben.“ So geht es 15 Verse dahin mit Lust, Vergnügen, Ergötzen in Heiterkeit: „Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen Kleide; Narzissen und die Tulipan, die ziehen sich viel schönen an als Salomonis Seide. Die Lerche schwingt sich in die Luft, das Täublein flieht aus seiner Kluft und macht sich in die Wälder, die hochbegabte Nachtigall ergötzt und füllt mit ihrem Schall Berg, Hügel Tal und Felder…“

„Sehet die Lilien auf dem Felde“, hat Jesus gesagt, sie sind viel schöner Salomos Seidengewänder,
Und dabei waren die Lilien Unkraut im Graben und Salomo der schönste Traumkönig Israels – ganz schön spitz. Und ganz schön stark von Paul Gerhardt gegen Seelenzerstörung, erlebtes Elend und tiefes Leid anzusingen. Das Herz soll sich einen Ruck geben hinauszugehen und den Garten vor dem Haus auszuweiten zum großen Schöpfungsgarten, in dem die Süße des Lebens und der Genuss der Schöpfung warten. Versailles, Ludwigsburg und auch Potsdam haben schöne Gärten, herrschaftliche Gärten, sie waren nicht immer für alle zugänglich! Gerhardts Garten ist der Schöpfungsgarten, der war immer für uns alle zugänglich.

Am Ende verblüfft Gerhardt mit einer tollen Drehung: Der Mensch wird gleichsam botanisiert: Er wird zur Pflanze und pflanzliches Leben wird zum Bild für menschliches Leben:„ Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben; verleih, dass zu deinem Ruhm, ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben.“ Nicht alltägliche, aber anziehende Bilder: Als schöne Blume ein Teil von Gottes großem Garten sein, ohne Stress und Anpassungsdruck. Können wir der Einladung folgen: „Ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen, aus meinem Herzen rinnen…?