Am Abend des ersten Sonntags im neuen Jahr 2022 will ich in alter Tradition Worte aus dem 90. Psalm lesen. Sein Grundtenor lautet: Die Menschen sollen klug werden und den Augenblick nutzen, sich ausstrecken nach neuen Lebensmöglichkeiten, wie immer die Horizonte aussehen:
Der Übersetzer Moses Mendelssohn war Berliner Seidenfabrikant und kritischer Philosoph:
„Herr, unser Zufluchtsort warst du, von Menschenalter zu Menschenalter. Ehe denn die Berge gezeugt; geschaffen wurde Welt und Erde, und von Ewigkeit zu Ewigkeit, bist du allmächtig! Denn tausend Jahre sind vor dir einem Tage, der gestern verging, einer Nachtwache gleich. Du strömest sie hin; in Schlummer entstehn sie. Des Morgens, wie wandelndes Gras, früh blüht es und wandelt. Am Abend abgehauet und verdorret. Wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz.
Ach, lehr‘ uns unsere Tage zählen, damit wir weisen Herzens sein:
Unsre Lebenszeit währet siebenzig Jahre; Achtzig ist ihr fernstes Ziel, und ihr Stolz ist Müh‘ und Kummer; Erfüll‘ uns frühe mit deiner Huld! So rühmen wir frohlockend unser Leben lang! Unsres Gottes Freundlichkeit werde uns beschieden; so gelinget unser Hände Werk, all unser Tun gelinget nur durch ihn.“
Amen