Zum Schulbeginn, Donnerstag 11. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

„…wenn dein Kind dich morgen fragt“, hieß das Thema des Kirchentages in Hannover. Die erstaunlichste Entdeckung war das Wort aus dem 8. Psalm: „ Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen hast du eine Macht gegründet gegen alle, die dich bedrängen, auf dass du Feindschaft und Rache aufhören lässt.“ Haben denn Kinder und Säuglinge Macht? Schon die alten Übersetzer haben das nicht mehr verstanden und den Text geändert. Vom Lob Gottes im Mund von Kindern ist nun die Rede, das ist auch ein schöner Gedanke. Aber bleiben wir beim biblischen Text und fragen noch einmal: Haben Kinder und Säuglinge Macht? Hätten nicht Männer, sondern Frauen den hebräischen Psalm übersetzt und ihr Säugling hätte geschrieen oder gewimmert, sie hätten sich unterbrechen lassen. Diese Unterbrechung wäre schon die Antwort gewesen! Der unbedingte Anspruch eines Kleinkindes, das nicht aufzuschiebende Schreien eines Säuglings – das ist Macht! Junge Eltern wissen das: Die Laute der Kleinen, die ohne Schutz und Fürsorge nicht weiterleben können, ihr Schreien ist Teil der höchsten Macht. Nicht nur das: Gott hat mit den Kinderstimmen eine Festung für sich geschaffen, um selbst Schutz zu erfahren. Das ist wunderbar: Wieder erkennen wir das Herz der Bibel: den Widerspruch zu all der niederwalzenden Gewalt, die die Menschen anbeten: Gott verbindet sich mit dem Schwachen, um bei uns zu leben.

Die Kinder verraten uns, wie wir in das Reich Gottes gelangen können: Wenn wir einem Kind versprochen haben, mit ihm, sagen wir, heute Fußball zu spielen oder ins Aquarium zu gehen, es kommt aber etwas dazwischen und wir sagen: „Aber nächste Woche bestimmt…“dann ist für das Kind „nächste Woche“ nie. Die Macht der Kinder besteht darin, sich so schwer mit dem abzufinden, was die Großen die „Realität“ nennen, wie es „in echt“ ist. Dieses „jetzt oder nie“ muss sein, wenn es ums Reich Gottes geht. Das will uns ganz und gar, jetzt, hier und heute – wie die Kinder, die wollen uns ganz, nicht nur mit einem Ohr, während das andere im Gespräch mit Erwachsenen ist, nicht nur mit einem Auge, während das andere auf den Bildschirm schaut, nicht nur mit einer Hand, während die andere das Bügeleisen hält. Kinder gehen aufs Ganze, und das Reich Gottes auch. Ganz und gar angewiesen auf Andere, aber bezwingend anspruchsvoll, so brechen Kinder und das Reich Gottes in unser Leben – Kinder sind eine Wucht und das Reich Gottes auch. Es ist phantastisch: Das Schwache, das Kleine, das Schutzwürdige hat eine unglaubliche Macht. Sie werden heute Kindern begegnen. Sie sind eine unbeschreibliche Gabe, und die Gabe wird die Aufgabe immer übertreffen.