„Wer hilft uns zum Glück?“

Tage in Taizé

Tage in Taizé – das waren Tage in Burgund, Tage inmitten der Wunderwerke burgundischer Kirchenkunst, Tage in der Nachbarschaft von Cluny, von deren Kathedrale der Erzbischof von Le Mans sagte „Gefiele es dem Himmel, dürfte man den Bau die Wandelhalle der Engel nennen“, Tage der Erinnerung an den „Aufschwung 1000“, denn von hier her erneuerte sich das christliche Europa um das Jahr 1000 im Aufbruch der Mönchsorden gegen die Verschwisterung von Messe und Macht.

Tage in Taizè – da gab und gibt es jede Woche ein Welttreffen der Jugend, keinen Welt-Papst-Tag mit anwesenden Jugendlichen wie in Köln, doch: Päpste haben auch Taizé besucht: einer, Johannes XXIII, nannte den Ort den „kleinen Frühling“… Schöner kann man es nicht sagen: hier bricht etwas an und aus, das blühen, wachsen, erfreuen und der Welt einen neuen Glanz geben will.
Tage in Taizé – Karol Wojtyla kam aus Krakau, um vom „Rand einer Quelle“ zu trinken. „ Es ist, wie wenn ein Fisch aus einem Aquarium in einen Ozean springt“, hat eine begeisterte Frau aus Ungarn das Flair, den alltäglichen Charme von Taizè beschrieben. Gewiss, der majestätische und nahezu überirdische „Glaube in Stein“ der großen Kathedralen von Vezelay, Fontenay, Autun (mit den schlafenden drei Königen unter dem wegweisenden Arm des Engels), und Cluny nimmt das Auge gefangen, aber es war Taizé mit seiner wenig ansehnlichen Lagerhalle, das seine Glocken läutete, als Nelson Mandela aus dem Gefängnis trat…Das ist die getreue Fortführung der großen Reform westlichen Christentums um das Jahr 1000, als die Orden, die Zisterzienser vorweg, die Konturen der Glaubenspraxis neu bestimmten: Gott loben, das Recht ehren, Gesicht zeigen, nacheinander geschrieben, aber zugleich vollzogen (Steffensky). Viele Gruppen aus Brandenburg, Kara und Wolfgang Huber unter ihnen, haben diesen Raum der Lieder, Bilder, Überlieferungen und Gottesdienste erfahren in ihrer köstlichen Zwecklosigkeit, absichtslos – nur schön und getragen vom Lob und der Gemeinschaft der Güte.

Das war der erste Atemzug von Taizé, als der Studentenpfarrer aus Lausanne, Roger Schutz, hier nahe der Demarkationsgrenze zwischen dem naziokkupierten und dem „freiem“ Frankreich, im September 1940 ein Bauernhaus erwarb und die „Grande Communautè“ aufbaute. Sein Leitwort „Kampf und Kontemplation“ gewann Kontur: Er versteckte Juden und politische Flüchtlinge und entkam mit knapper Not 1942 in die Schweiz. Danach begann er ein ökumenisches Leben in Taizé mit vielen Höhepunkten, u.a. dem Konzil der Jugend im August 1974 und der „Operation Hoffnung“ in den armen Ländern der Ökumene.

Der protestantische Philosoph Paul Ricoeur kam jährlich nach Taizé: „Was ich in Taizé suche? Ich würde sagen, eine Erprobung dessen, was ich zutiefst glaube, dass das, was man ‚Religion’ nennt, etwas mit Güte zu tun hat. So radikal das Böse ist – es nicht so tief wie die Güte. Hier in Taizé sehe ich, wie die Güte sich Bahn bricht, in der gelassenen, taktvollen Gastfreundschaft, im Gebet; ich sehe Tausende von Jugendlichen, die von Gott, von der Gnade und von Jesus Christus nicht in begrifflicher Sprache reden, aber in tiefer Hinwendung zur Güte leben. Die Güte liegt tiefer als das tiefgehende Böse. Diese Gewissheit müssen wir freilegen, ihr eine Sprache geben. Die Sprache, die ihr in Taizé verliehen wird, ist die der Liturgie. Ich denke an Psalm 4: ‚Wer hilft uns zum Glück?’ Die Seligpreisungen sind der Horizont des Glücks in einem Leben, das im Zeichen der Güte steht. Was mich hier beeindruckt, bei all den kleinen täglichen Diensten, in der Liturgie, bei den Begegnungen aller Art, den Mahlzeiten, den Gesprächen ist die vollkommene Abwesenheit von Beziehungen, in denen einer über den anderen herrscht. Diese miteinander geteilte Gelassenheit ist es, die für mich das Glück eines Lebens im Umfeld der Communauté de Taizé ausmacht.“

Am 16. August 2005 hat ein verwirrter Mensch während des Abendgebets gegen 21.00 Uhr Roger Schutz in Taizé getötet. Immer tröstete Frére Roger andere: „Du bist nicht allein!“. Und auch er wird es nicht sein.