Ach, es fing so schön an und wir summten es: „By the rivers of Babylon“, Boney M, heiter, hell und harmlos. Aber, las niemand den Schluss vom Psalm 137?
„Tochter Babel, du Gewalttätige: Selig, wer dir vergilt deine Taten, die du uns angetan! Selig, wer packt und zerschmettert deine Kinder am Felsgestein!“
Las niemand diese Seligsprechung von Kindermördern, die Terrorphantasien der biblischen Gewalttäter? Erkannte niemand den „Gewaltpsalm par excellence“? Blutrünstige Vergeltung gegen Säuglinge? „Typisch jüdisches“ Rachegezeter? Der Protestant Hermann Gunkel roch den „glühenden Hauch des alten Judentums, das sich auf Hass und Rache versteht“, der Katholik Alfons Deissler wollte die Worte streichen. Ist das nicht die religiöse Legitimierung von Terroristen, Kindermördern, Selbstmordattentätern und Menschenrechtsverletzern? Luther nannte die Psalmen den „Ringplatz der Affekte“. Ein Schlüssel zum Verständnis? Ort und Zeit sind erkennbar: Zwangsarbeiter aus Israel werden am Kanalsystem von Babylon geschunden, spottübergossen sollen sie die Glaubensliedchen ihrer Heimat singen und spielen, an struppigen Euphratpappeln baumeln die nutzlosen Zithern im Wind – armes Kanalarbeiterpack. Kann man in Babylon Zionslieder singen? Kann man in Auschwitz Geige spielen? Der Gotteszweifel steigt auf. Aufgeben oder alles drangeben an Gottes Richterspruch – ein Drittes gibt es nicht! Der Psalm ist nur Schrei! Schrei nach der Wiederherstellung der gerechten Weltordnung, gegen die Terrorherrschaft Babels mit seiner Kriegsmaschinerie und Weltherrschaftsideologie. Herausgeschrieen und herausgeschleudert; rebellisch, radikal und rechtsversessen! Im grausamen Bild von den Kindern des Königshauses, der Dynastie des Terrors, soll der Terror vollends von der Bildfläche verschwinden. Wer Gewalt als Recht ausgibt, dem muss Gott in den Arm fallen, jetzt, ganz und für immer! Ach, stiege doch heutige Theologie einmal in den Ringplatz der Affekte…