Nicht zu glauben! – “Rühr mich nicht an”?

Es gibt Stellen in der Bibel, für die Übersetzungen ein wahres Unglück sind. Dazu gehört die Mahnung Jesu an Maria Magdalena in der österlichen Gartengeschichte im Evangelium des Johannes.

Sie war mit einer festen Absicht zum Grab gegangen: „Dann will ich ihn holen!“ Sie will nicht lernen mit dem Tod umzugehen, sie will ihn rückgängig machen, sie will den geliebten Menschen nie mehr loslassen, ihn für immer festhalten. Sie begehrt auf gegen den Tod, tief verletzt weint sie. Der, den sie als Gärtner sieht, sagt zu ihr nur ein Wort „Maria“! Sie begreift  und sagt das zärtliche, einer Umarmung in Scheu und Hingabe gleichende „Rabbuni“. Nun ist die Zuwendung geschehen. Was wird er antworten? Sollte er nichts Besseres zu antworten wissen  als das mimosenhafte „Rühr mich nicht an!“ Eine einzigartige Begegnung, eine befreiende Zuwendung im „Garten“, dem Ort ursprünglicher Schöpfung, sollte mit dieser verletzenden Zurückweisung schließen, einer Demütigung? Das ist doch „nicht zu glauben“.

Nein, der originale Text spricht nicht vom Anrühren, sondern vom Anfassen, Festhalten, Sich-Bemächtigen, Ergreifen, von einem „haptischen“ Verhalten. Das aber klingt so: „Du kannst mich nicht festhalten!“ Er ist auf dem Wege zum Vater und sie soll sich auf den Weg zu den anderen machen, es ihnen mitzuteilen. „Du kannst mich nicht festhalten!“ – warum muss ihr das gesagt werden? Es geht doch nicht um Berührungsangst Jesu, es geht um das Loslassen-Können. Das Loslassen-Können hat die Verheißung der neuer Nähe! Maria Magdalena soll beim Festhalten-Wollen nicht stehen bleiben, sie kann sich ändern, eine neue werden und darin ihre Treue bewahren. So wird sie zur ersten Zeugin des Auferstandenen für eine Gemeinde, die Jesus festhält, indem sie einander festhält. Übersetzungen können für zentrale Texte ein Unglück werden, nicht so die „Bibel in gerechter Sprache“, sie übersetzt gut und klar: „Halte mich nicht fest!“