Abendsegen | Donnerstag, 9. Februar

Langsam komme ich mit dem Danken für die Geschenke zu den Fest-Tagen an ein Ende. Diese Geschenke…es gibt sie emotionsfrei und termingerecht, sie werden abgestimmt, damit es ja keine Überraschungen gibt. Es gibt Geschenke, die haken den Geburtstag und Weihnachten ab, Teil eines Warenaustausches. Es gibt Geschenke, die führen Überlegenheit vor, nehmen in Pflicht, zwingen zur Dankbarkeit. Es gibt gar Geschenke, die die Beschenkten in einem Maß verletzen, dass sie den Riesenblumenstrauß in keine Vase stellen können.
Und dann gibt es Geschenke, die man bis an sein Lebensende bei sich haben möchte, die zu einer Geburtsstunde der Freude führen und das Herz zum Überlaufen bringen.
Es gibt Geschenke, die uns spüren lassen, wie lieb uns einer hat, wie sehr eine unser Glücklich-Sein wünscht. Ach, die Schreibfeder aus Silber, mit der wir als Kinder nie spielen durften. Und das große bemalte Gänse Ei mit vielen guten Wünschen, und das wunderbare Kissen mit dem beruhigenden Duft eines seltenen Holzes, das mir durch die langen Tage und Nächte in der Klinik helfen wird…
Man bekommt in diesem Leben nichts geschenkt? Welch ein Irrtum!
Unser Vater, wir bitten um deinen Segen, lass uns alles zum Segen werden. Den Mond über uns, die Erde unter uns, die Gemeinschaft zwischen uns und die Ruhe der Nacht vor uns.

Abendsegen | Mittwoch, 8. Februar

Das Konzert in der offenen Arena versprach großartige Musik, es war eine wundervolle Szenerie von Formen und Farben, in Scharen strömte das Publikum herbei. Kurz vor Beginn wurde der Himmel schwarz, schnell prasselte ein Platzregen auf die Menge nieder, begleitet von Blitz und Donner. Die Menschen flüchteten ins überfüllte kleine Festzelt. Der Regen hörte auf, die Menschen kehrten zurück. Doch dann setzte das Gewitter wieder ein, die Flucht begann erneut und der Regen hörte nicht mehr auf. Die Stimmung sank auf den Tiefpunkt, andere ärgerten sich immer lauter, manche flohen gänzlich davon. Doch in einem ruhigen Moment rief plötzlich eine Stimme: „Habt ihr je so viele so schöne Menschen so rennen sehen?“
Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann lachte jemand los, und mit einem Mal lachte das ganze Festzelt, Enttäuschung, Ärger, Niedergeschlagenheit waren wie weg, Menschen umarmten sich, sprachen miteinander. Ja, tatsächlich: Alle, eine wie der andere, waren wirklich schöne Menschen! Dass wir nie wissen, welche Wunder manchmal ein einziges Wort, eine Anerkennung bewirken kann!
In der Bibel ist einmal die Rede davon, dass das Himmelreich einem Senfkorn gleich ist, einem einzigen Wort, einem liebevollen Augenblick – und im Nu ist die Welt verwandelt!

Unser Vater, segne unseren Abend und unsere Nacht mit der heiligen Gabe der Zuversicht!

Abendsegen | Dienstag, 7. Februar

„Die Suche wurde wegen einbrechender Dunkelheit eingestellt, bei Tagesanbruch wird sie fortgesetzt.“ Die Radiomeldung klingt wie eine zwingende Formel. Die Rettungsmannschaften müssen bis zum Morgen warten, jetzt herrscht die Nacht, sie diktiert die Bedingungen der Suche.
Im biblischen Psalm 77 heißt es: „Am Tage meiner Not suche ich den Herrn, meine Hand ist ausgestreckt des Nachts und ermattet nicht, meine Seele weigert sich, sich trösten zu lassen.“
Auch Gott kann dem Menschen tagsüber verloren gehen, er aber setzt die Suche bei Nacht fort, seine ausgestreckte Hand übernimmt die Regie und seine Seele gibt sich nicht mit ein wenig Trost zufrieden.
Der betende Mensch stellt sich den Bedingungen der lebensfeindlichen Nacht, doch er unterwirft sich ihnen nicht. Die Nacht herrscht nicht, in welchem Keller, auf welchem U-Bahnhof der Mensch sie verbringt. Vom Ende der Nacht ist nichts in Sicht, Gott ist ferner denn je, Stimme und Augen können nichts mehr tun, doch die Hand, die Hand bleibt ausgestreckt. Die Nacht herrscht nicht. Für alle in solcher Nacht bitten wir um die Kraft ihrer ausgestreckten Hand.

Unser Vater, komme mit deinem kräftigenden Segen den ausgestreckten Händen entgegen, dass die Nacht sie nicht beherrsche!

Abendsegen | Montag, 6. Februar

„Wir müssen jetzt aufhören, sonst wird es zu teuer!“, erinnern sie sich noch an diesen Satz? Dabei sahen wir auf das alte Bakelit-Telefon mit der Wählscheibe, wie eines bei uns zu Hause stand, in den Siebziger Jahren noch…
Eine große Freiheit ist in unsere Begegnungs-und Gesprächsmöglichkeiten eingezogen; wer mal eben 50 Jahre weg war, verstünde nichts mehr: Skypen, mailen, funken, chatten haben das Beisammensitzen am Lagerfeuer oder in der guten Stube ein für alle Mal verändert.
Es herrscht ein riesiges Bedürfnis, angerufen zu werden, darf man sagen, „erwählt“ zu werden? In einer kommunikativen Wolke zu verschmelzen. Es tut vielen Menschen so gut, nicht mehr aufhören zu müssen mit dem Sprachen und Zuhören, weil es zu teuer wird.
Es sind die überlieferten Worte des kleinen Neffen von Sigmund Freud, die mir dafür noch einmal die Augen öffneten: Er bat seinen Onkel beim Versteckspiel in der Wohnung laut zu sprechen, während er in Richtung eines dunklen Zimmers unterwegs war. Auf die Frage Freuds, warum er das tun solle, antwortete der Junge: „Wenn jemand spricht, wird es heller.“ Davon gilt es zu lernen…

Unser Vater, segne unseren Abend mit einem wohltuend erhellenden Wort und unsere Nacht mit deinem Schutz.