Abendsegen | Donnerstag, 24.7.2014

Mitten im Sommer…an einem ruhigen Abend am Wasser…steigen Fragen auf. Was war, was ist… (Ich
werde jetzt 39, oder, ich werde ja bald 72) – das Träumen, die Unruhe, die Fragen lassen einfach nicht nach. Warum? Zuweilen beneide ich alle, die sich ihrer selbst und der Welt sicher sind…die nachts nie wach liegen, nichts Zerrissenes in sich spüren.
Ich bin hingefallen und ich bin aufgestanden. Ich liebe einige Menschen, und einige lieben mich Ich habe gegeben, ich habe genommen, bin geflogen vor Glück – doch mitunter auch ermüdet, leer. Was wird noch kommen?
Dann denke ich an die liebenswürdige Empfehlung Thornton Wilders: „Ich würde Ihnen raten, nicht nach dem Warum und Woher zu fragen, sondern Ihr Eis zu essen, ehe es schmilzt.“

Gottes Segen komme zu uns, dass wir Nein sagen, wo es nötig ist, dass wir
Ja sagen, wo es gut ist, dass wir Stärkung finden im Wachen und im Schlafen.

Abendsegen | Mittwoch, 23.7.2014

Einen „Sommerpsalm“ hat mir meine Kollegin Jacqueline Keune aus Luzern in der Schweiz gesandt:

Lobt ihn mit Radtouren, lobt ihn mit Wellenreiten,
lobt ihn mit aufgeräumter Seele, lobt ihn mit träumendem Herz,
noch und noch!
Lobt ihn mit wilden Gärten, lobt ihn mit eingemachten Beeren,
lobt ihn mit gestauten Bächen, lobt ihn mit Sonnenbädern,
noch und noch!
Lobt ihn mit geteilten Melonen und gastlichen Balkonen,
lobt ihn mit Geigenspiel und Liebesnächten –
noch und noch!

Wir bitten um deinen Segen, Gott. Lass uns alles zum Segen werden:
Den Mond über uns, die Erde unter uns, das Band der Gemeinschaft zwischen uns, dein Abbild tief in uns und die Ruhe der Nacht, die vor uns liegt. Amen, so sei es.

Abendsegen | Dienstag, 22. 7.2014

In den Ferien hört man oft den Spruch, jetzt könne man „die Seele baumeln lassen“.. Eine unsinnige und trübe Vorstellung: Die Seele, ein müdes Organ, das bloß noch herum baumeln kann?
Dazu gibt es eine Alternative: „Muße“ ist ihr alter Name, heute vielleicht „Aufmerksamkeit“…Sie befreit aus dem ewigen Erledigungszwang, sie schärft die Sinne, sie öffnet die Augen , sie entdeckt die Schönheit der Tage.
Der größte deutsche Seelendichter, Joseph von Eichendorff, rät uns, die Flügel unserer Seelen weit aufzuspannen und loszufliegen, in die Ferne, in die Nähe und wieder nach Hause…
Und wir werden sie wieder spüren,… unsere Seele, und sie ist unendlich viel wert.

Gott segne Ihre Seele in nachtdunklen und taghellen Zeiten, er behüte sie und stärke sie.
Sein Glanz streife sie am Morgen und lasse sie erfrischt wieder wach werden…

Abendsegen | Montag 21. 7.2014

Sommerferien… Mein Lieblingskirchensommergedicht heißt „Dorfkirche im Sommer“ und stammt von Detlev von Liliencron – 19. Jahrhundert, sonntäglich, ländlich, so recht für die Ferien…

Schläfrig singt der Küster vor,
schläfrig singt auch die Gemeinde.
Auf der Kanzel der Pastor
betet still für seine Feinde.

Dann die Predigt, wunderbar,
eine Predigt, ohnegleichen.
Die Baronin weint sogar
im Gestühl, dem wappenreichen.

Amen, Segen, Türen weit,
Orgelton und letzter Psalter.
Durch die Sommerherrlichkeit,
schwirren Schwalben, flattern Falter.

Gott segne die Stunden Ihres Sommers; er schenke Ihnen erholsame Abende und einen stärkenden Schlaf

Quelle: Detlev v. Liliencron, Adjutantenritte, Edition Holzinger, Berlin 2013

Das Wort 24. November 2013

Das Haus, in dem die Freundin wohnt, liegt leicht erhöht an einem Abhang mit Blick auf den Friedhof. Sie erzählt, dass Besucherinnen und Freunde, die zum ersten Mal einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster auf die vielen Gräber werfen, unterschiedlich reagieren. Ständig den Tod vor Augen zu haben, wäre ihnen unangenehm, sagen die einen. Andere wieder können verstehen, dass diese Nachbarschaft auch gut tun kann.

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Abendsegen | Freitag, 20. September 2013

Der Wahltag naht und damit die schöne Aussicht, nicht länger von den Wahlplakaten gleichsam verfolgt zu werden…Da haben sich wochenlang Menschen in unseren Blick gedrängt und wir wussten kaum, wer sie sind – Menschen aus Fleisch und Blut, Haut und Haaren und einem bestimmten Geist. Doch woran lässt sich ablesen, wes Geistes Kind einer ist? Horoskop, Psychotest, pfiffiger, treuherziger Augenaufschlag, Kleider, die angeblich Leute machen?

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Abendsegen | Sonntag, 22. September 2013

Vor 70 Jahren schrieb der amerikanische Geistliche Reinhold Niebuhr  das  berühmteste Gelassenheitsgebet des Jahrhunderts. Gelassenheit ist wohl am Abend eines Wahltages das einzig Bekömmliche, wenn die Gefühle und Gedanken nur langsam zur Ruhe kommen:

Gott, gib uns die Gnade, mit
Gelassenheit Dinge hinzunehmen,
die sich nicht ändern lassen,
den Mut, Dinge zu ändern,
die geändert werden sollten,
und die Weisheit, das eine
vom anderen zu unterscheiden.

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Abendsegen | Sonnabend, 21. September 2013

Die „fünfte Jahreszeit“ steht vor der Tür. Kurt Tucholsky hat diese Tage zwischen Nachsommer und Frühherbst so genannt. Das Licht der Sonne ist noch da, aber es blendet nicht mehr; es ist nicht heiß oder kalt, sondern bloß warm. Eine schöne Müdigkeit liegt in der Luft und es ist so, als ob die Erde ruhen würde, ruhen wie der Schöpfer am Ende des sechsten Schöpfungstages geruht haben soll.

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Abendsegen | Donnerstag, 19. September 2013

Meine dreijährige Enkeltochter lässt sich, oft im Gegensatz zu mir, nicht mit halben Sachen abspeisen, etwa mit halber Aufmerksamkeit. Sie besteht darauf, dass ihre Fragen und Gefühle ernst genommen werden.
Ich staune, wie klar und stark ihre Wünsche sind. Ich staune über ihr Entzücken, dieses sprachlose Oh!, das sich wie ein Licht über ihr Gesicht legt, wenn sie Seifenblasen hinter her staunt. 

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Abendsegen | Mittwoch, 18. September 2013

Heute Abend hat beim Einbruch der Dunkelheit das jüdische Laubhüttenfest begonnen, Sukkot genannt. In Wohnungen auf dem Balkon, in Häusern auf dem Hof, in Synagogen, Altenheimen, Kindergärten, Schulen – überall werden provisorische Hütten gebaut. Dort empfängt man Gäste und erinnert sich an die zerbrechlichen Hütten während der Wüstenwanderung aus Ägypten.

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