„Von der Auferstehung Christi her kann ein neuer reinigender Wind in die gegenwärtige Welt wehen“, das schrieb der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis seinem Freund zum Osterfest 1944. Er sprach von der „Vergötzung des Todes“ in seiner Zeit, von „gleichgültiger Lebensverachtung“ und der Sucht, „alles zu erraffen und alles wegzuwerfen“. Je deutlicher die nationalsozialistische Herrschaft uns in den Blick kommt, desto genauer sehen wir die Spur der Vernichtung, die dieses „tausendjährige Reich“ in nur 12 Jahren gelegt hat, Jahren, in denen „das Leben nichts galt“, während die Propaganda „das Leben“ mit Lichtzauber und Mutterkreuz in den germanischen Himmel hob.
Editor
Worte für den Tag | Worte auf den Weg | Mittwoch 19. April 2006
„Der Auferstehungsglaube ist nicht die Lösung des Todesproblems“ – eine hellsichtige Formulierung des Theologen Dietrich Bonhoeffer, die er während seiner Haft notierte. Es ist nicht das Todesproblem, das uns gefangen nimmt, sondern ein Netz von vielerlei schwer fassbaren Todeserfahrungen, die auch nach diesem Auferstehungsfest Ostern uns begleiten. Es sind Abschiede, die uns tief treffen, Abschiede von geliebten Menschen, von vertrauten Orten, von gern geleisteter Arbeit. Abschied zu nehmen von dem, was wir lieben, ist nie leicht. Diese Erfahrungen wirken wie schlecht verheilte Verletzungen, sie schmerzen , sie werfen lange Schatten auf jeden Tag unseres Lebens. Die Bibel hat dafür das Wort „Todesschatten“. Das ist nicht nur Resignation, es ist manchmal, als ob die Flamme der Liebe allmählich erlischt. Fachleute nennen diese Erfahrung Depression, für die Betroffenen aber ist es schwer, einen Namen dafür zu finden.
Worte für den Tag | Worte auf den Weg | Dienstag 18.4. 2006
Mitten in Paris steht ein großes Haus. Es ist die öffentliche Informationsbibliothek der Stadt. Man benötigt weder Ausweis noch Eintrittskarte, um Einlass in die menschenfreundlichste, abwechslungs- reichste, freieste Bibliothek der Welt zu erhalten. Auf die Besucher – am Tag sind es im Durchschnitt 6300 – warten mehr als 350 000 Bücher, 2500 Zeitschriften und 150 Tageszeitungen aus der ganzen Welt. Gut gelaunt verspricht die Bibliothek, hier fände man nicht „alles über etwas bestimmtes“, sondern „etwas über alles“. Eine wunderbare, riesige, freiheitliche – Arche! Arche ist in der Bibel jener große Kasten, jenes schwimmende blockhausartige Wohnfloß, in das Noah mit seiner Familie und Vertretern aller Lebewesen sich rettete, als die Wasser der vernichtenden Sintflut zu steigen begannen.
Neuerscheinung: Was Christen vom Judentum lernen können
Das neue Buch „Was Christen vom Judentum lernen können“ wird am 9. März ausgeliefert.
Lohrbächer, Albrecht / Ruppel, Helmut / Schmidt, Ingrid / Thierfelder, Jörg
Kohlhammer, Erscheinungsdatum: 09.03.2006
ISBN: 3170181335
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„Ehrfurcht vor dem Leben“
Eine Erinnerung an Albert Schweitzer
I.
Ist ein Sonntagmorgen im Februar nicht eine gute Gelegenheit, sich an den Sommer zu erinnern, sich auf den Sommer zu freuen? Gewiss, der Schnee ist auch etwas Wunderbares: Man wacht auf am Morgen und die weiße Welt leuchtet einem entgegen, weiß und rein, wie neugeworden. Eine frisch verschneite Landschaft kann so wohltuend rein sein und eigenartig still.
„Gott der Rache“?
Das Vorurteil oder Missverständnis
Wenn Christen von Gott reden, so ist meist – unausgesprochen oder ausgesprochen – ein antijüdischer Gegensatz im Spiel: Gott, wie er von Jesus gepredigt und im Neuen Testament
dargestellt wird, sei ein liebender Gott, im Gegensatz zu dem des Alten Testamentes und des Judentums, der als Rache-, Richter- und Kriegsgott in Erscheinung träte.
Gewalt und Gerechtigkeit
Lernschritte zum biblischen Gottesbild
„Nicht alle Gewalt auf dieser Erde hat religiöse Gründe, aber noch zuviel an Gewalt geschieht im Namen einer Religion. Tag für Tag kommen Nachrichten ins Haus: Terror im Namen des Islam, Bomben zwischen Katholiken und Protestanten, Massaker zwischen Hindus und Buddhisten, Völkermord in Afrika, Krieg zwischen Katholiken, Orthodoxen und Muslimen, Verletzung der sozialen Gerechtigkeit in Lateinamerikas. Das Erschrecken ist meist groß. Sind Religionen immer noch fähig, Menschen zu Gewalt zu inspirieren, Gewalt und Tod zu legitimieren?“
Die unerschrockene Greisin
Begegnung mit Julie Bonhoeffer
„Die Kette der Generationen darf nicht reißen“, dieses Lebensgesetz kommt jedem in den Sinn, der die Familiengeschichte Dietrich Bonhoeffers liest. Lebenslauf und Lebenswerk, unauflösbar verflochten, verdanken sich wie bei kaum einem anderen Theologen der Neuzeit einer Familiengeschichte voll scharf konturierter Profile über Generationen hinweg. Die Familie prägte so unverkennbar, dass jegliches Mitläufertum im deutschnationalen Rausch, geschweige denn irgendeine Form von aktiver Zuneigung zum Nazismus ungleich unvorstellbarer gewesen wäre als die Bereitschaft zum entschiedenen Widerstand.
Was ließ Bonhoeffer schon zu Beginn des Nationalsozialismus so immun bleiben gegenüber den national erhebenden Gefühlen, die vielen zu Kopf stiegen, von denen man es nie und nimmer erwartet hätte, denken wir an zwei Extreme wie Martin Niemöller und Martin Heidegger? Wovon kaum einer aus den Bildungseliten – Militär, Adel und Kirche – frei war, dem christlichen Antijudaismus, ob gutmütig oder grobianisch, in der Familie Bonhoeffer gab es ihn nicht. Eine einmalige Immunität gegenüber Rassismus, vordemokratischen Überheblichkeiten und politischer Engstirnigkeit zeichnete die Familiengeschichte aus.
Der Mensch, der Dietrich Bonhoeffer aus der älteren Generation am längsten begleitet hat, an dessen Leben er lernen konnte, was eine „Großmutter Courage“ ist und an dessen Grab er bewegende Worte der eigenen Lebensverpflichtung fand, das war seine Großmutter väterlicherseits, Julie Bonhoeffer, geborene Tafel. Wer war diese Frau, von der so viele die historische Szene berichten, wie sie am 1. April 1933, am Tage der deutschlandweiten Judenboykotte im Berliner „Kaufhaus des Westens“ einkaufen ging?
„Auge um Auge, Zahn um Zahn…“?
Das Vorurteil
An dem Vorwurf gegen die Juden, ihre Tora würde das Talionsprinzip „Auge um Auge…“ als wörtlich zu nehmende Aufforderung zur Vergeltung gebieten, hat sich langem die antijüdische Einstellung von Christen besonders festgemacht – ein verhängnisvoller Verstehensfehler. Die Formel hat sich längst vom Bibeltext gelöst und ist umgangssprachlich zum festen Begriff für Rache, Zurückschlagen und Gewalteskalation geworden. Die Medien verwenden ihn automatisch bei Vergeltungsfällen – häufig mit Anklängen an „alttestamentarisch“ und andere mit dem Judentum verbundene Assoziationen. Wenn sprachliche und damit tief im Unterbewusstsein gegründete Judenfeindschaft noch besteht, so ist sie hier und bei anderen Begriffen wie „pharisäerhaft“, „Gott der Rache“, „Judas“, „gesetzlich“, „auserwählt“ zu finden. Dumpfer Antisemitismus mag geschwunden sein, alte Vorurteile halten sich hartnäckig.
Das Wort RBB 88,8 30. Oktober 2005
Wir rechnen damit, dass der Mensch durch das Vertrauen auf Jesus, den Messias, gerecht gemacht wird, ohne ein Gesetz, das Werke verlangt.
Brief an die Römer, 3, 28
Heute und morgen wird in den Gottesdiensten der evangelischen Kirchen Deutschlands der Reformation gedacht, also der Wiederentdeckung des Evangeliums, ohne das nach dem Urteil Martin Luthers die Welt voller Tod und Finsternis wäre. Das Evangelium bringt Licht in eine vom Tod überdeutlich gezeichnete Welt. Und das ist ein lebendig machendes Licht, ein erhellendes Licht, ein wärmendes Licht. Zu diesem Licht gehört die Wiederentdeckung von der Rechtfertigung des Sünders aus Glauben allein.