Abendsegen | Freitag, 3. Dezember

Was ist eigentlich Anstand? Anstand ist altmodisch, also etwas, das es schon seit langem gibt und sehr gut aussieht. Meine Schweizer Kollegin Jacqueline Keune sagt:“ Wenn ich Anstand sage, dann meine ich Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme, meine ich Gesten und Sprache, die nicht endlos ich wiederholen. Der Anstand, den ich meine, schenkt den Menschen Bedeutung, weicht aus, wo es eng wird, lacht nicht unbesehen laut mit. Mir ist die Gleichberechtigung der Geschlechter auch wichtiger als ein bisschen Höflichkeit. Doch möchte ich, dass mir die Schülerinnen und Schüler zum Unterrichtsbeginn die Hand geben, und ich will ihnen die Hand geben und ins Gesicht schauen und guten Tag sagen“.

Gott segne Sie mit einer ungestörten Nachtruhe, einem erholsamen Schlaf und schenke Ihnen ein anmutiges Wochenende!

Abendsegen | Donnerstag, 2. Dezember

Adventszeit ist Zeit der Märkte. Märkte haben ihren Reiz, blakende und zischende Lampen erhellen geheimnisvolle Auslagen, man kann Fremdes entdecken; es muss nicht immer Glühwein sein, der das Herz erwärmt. Ein besonderer Markt ist der Chanukkamarkt im Jüdischen Museum. Gestern Abend begann das achttägige jüdische Chanukka-Fest – ein Lichterfest; der niemals erlöschende Leuchter steht im Mittelpunkt. Er erinnert in seinem Leuchten an die helfende Gegenwart Gottes. So soll er im Fenster stehen, gleichsam als leuchtendes Bekenntnis zu Gott. Es ist ein sinnliches Fest mit Geschenken, gutem Essen, Spielen und Musik, Weihnachten sehr ähnlich, so dass man in Berlin gerne von Weihnukka spricht, auch ein Beitrag zur Integration…

Und Gott, der das Licht schuf, segne auch die Dunkelheit unserer Nacht, er segne die Stadt, in der wir alle leben, er segne die Menschen, die uns tragen, jetzt und immer.

Abendsegen | Mittwoch, 1. Dezember

Heute am 1. Dezember besannen sich viele Menschen auf den Welt-Aids-Tag. Der Londoner Rabbiner Lionel Blue erzählt vom Besuch auf einer Aids-Station im Krankenhaus:
„Danke“, sagte der Kranke höflich und seufzte, „ich habe genug Zuspruch erfahren. Es ist ein Unterschied, ob man drüber redet oder ob’s einen selbst erwischt hat.“
„Was brauchen Sie dann?“, fragte ich ihn. „Hilfe bei den kleinen Sachen, zum Beispiel, wenn ich in die Badewanne steigen will, oder beim Einkaufen, auch eine Fahrt ins Grüne wäre himmlisch. In meinem Zustand sind es die kleinen Dinge, die aufbauen oder fertig machen.“
Er hatte Recht, ich werde nicht mehr groß daherreden, sondern die kleinen Dinge tun.“

Der Gott aller Hoffnung möge Ihre Nacht segnen mit stärkendem Schlaf, mit einer Ahnung von Trost, einer Ahnung von Hoffnung, einer Ahnung von Lebendigkeit!

Abendsegen | Dienstag, 30. November

Essen ist Leben, so hieß vor wenigen Wochen eine Themenreihe in diesem Sender. Mir fiel dazu ein Gedicht von Rose Ausländer aus Czernowitz in der Bukowina ein:

„Eine Freundin
backt mir Honigkuchen.

Es duftet nach Mutter
schmeckt nach Kindheit

die blüht noch in mir

Bienen trinken Blütensaft
die tote Mutter
schaukelt mein Bett
und singt alte Kinderlieder

Eine Scheibe Honigkuchen
verwandelt die Welt.“

Gott möge Ihre Träume segnen mit Bildern der Kindheit, mit Lachen und Licht, Brot und Honigkuchen.

Abendsegen | Montag 29. November

Die Adventszeit hat begonnen. Es gibt Wörter wie Advent oder Sehnsucht oder Wunsch, die rühren wie an ein Geheimnis, die rufen Träume in uns wach. Werden sie ausgesprochen, ist es, als ob sich ein federleichter wärmender Mantel um uns legte. Der neunzigjährige Berner Dichter Kurt Marti träumt von seinen Wünschen für die Adventszeit:
„ Ach, dass ich, wenn’s drauf ankommt,
im Gegner den Bruder,
im Störer den Beleber,
im Süchtigen den Sehnsüchtigen,
im Säufer den Beter,
im heute Feigen den morgen Mutigen,
im Gehemmten den heimlich Leidenschaftlichen
erkennen könnte!“

Gott, der Schöpfer, mögen Ihren Schlaf segnen mit der Gewissheit, dass noch etwas aussteht, für Sie und für die ganze Welt

Abendsegen | Sonntag, 21. November

Heute war der letzte Sonntag im Kirchenjahr, der Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt. Seit alters her liest man an diesem Tag Worte des 90. Psalms aus der Bibel:

Herr, du warst zu allen Zeiten
und immer wieder unsere Rettung!
Du machst die Menschen zu Staub und sagst:
Kehrt zurück, Menschenkinder!

Unser Leben dauert vielleicht siebzig Jahre,
wenn es hochkommt, sind es achtzig.
Lehre uns, unsere Tage zählen,
daraus werden wir gescheit –
und unser Herz weise.

Zeige uns, dass du da bist,
und unseren Kindern, dass du ein Gott bist, der hilft!

Unser Vater, dein Segen kennt keine Grenzen; lass dein Angesicht über uns leuchten und segne unseren Schlaf!

Abendsegen | Sonnabend, 20. November

War dies heute ein schöner Tag? Aber, so fragt die Schweizer Pfarrerin Jacqueline Keune,
„Was ist schön? Sind Geranien schön? Oder die Miss Schweiz? Oder die alten Hände? Ist mein Kind schön, das Meer, eine gerade Linie, ein Hügelzug? Und der Tisch, ist er schön, wenn er rund ist oder lang und schmal? Die anmutige Geste der Frau, die in ihr Haar greift und das kleine Gefäß, in dem wir den Zucker aufbewahren? Was ist schön? Schön ist das Ornament, das die Sonne an diesem späten Novembertag durch das Gezweige auf den Moosboden malt…all das, nur eine Ahnung dessen, was ewig ist…

Unser Gott, halte deine segnenden Hände über uns alle, und geh ihn mit uns, den schönen, schwierigen Weg durch die Nacht und durch alle Zeit

Abendsegen | Freitag, 19. November

Der 19. November ist der Gedenktag der heiligen Elisabeth von Thüringen. Warum beeindruckt und bewegt diese junge Frau – sie starb mit 24 Jahren – die Herzen der Menschen bis heute? Es ist ihr Mut zur Barmherzigkeit. Ihr Herz und ihre Beherztheit für die Armen ihrer Zeit lässt sie herausfordernd bleiben wie sie es war – vor mehr als 800 Jahren. Sie verteilte ihren Besitz an die Armen – gegen alle kalte Rechnerei. Sie ist kein exotisches Original – strahlende Liebe und durchdachte Sozialarbeit zeichnen sie aus. Ihr Wahlspruch war: „Seht, wir müssen die Mensche froh machen!“

Du Gott aller Barmherzigkeit, segne die Nacht aller Kranken und Armen! Und die unsere auch, dass wir morgen früh aufstehen und füreinander das Leben erstreiten.

Abendsegen | Donnerstag, 18. November

Hat jemand gesagt, der November verbreite Schwermut? Das kann nicht der Basler Dichter Rainer Brambach gewesen sein! Der nennt sein November-Gedicht

Flugzeit
Laub fällt, und sichtbar werden
leere Vogelnester im Geäst.
Es regnet, regnet weiter
bis zum Schnee –
Kommt noch ein Tag, auf Nebelhörnern
kühl November blasend,
stehn wir in Wolle eingewickelt
bis zum Kinn und prüfen unser Dach.
Die offnen Stellen füllen wir mit Sorge.

Zeit wär’s zu fliegen.

Gottes Himmel über uns, die Erde unter uns, die Ruhe in uns, mögen uns zum Segen werden!

Abendsegen | Mittwoch, 17. November

Kein Mensch lässt sich gern unterbrechen. Ein Tag, an dem wir dauernd unterbrochen werden – Telefonate, überraschende Besuche, aufregende Nachrichten – ist uns meistens ärgerlich. „Unterbrechen Sie mich nicht dauernd!“ ist eine heftige Ermahnung in Talk-Shows. Manchmal aber ist es sehr gut, sogar lebensnotwendig, sich unterbrechen zu lassen: Eine ist hingefallen, jemand braucht Hilfe, Kinder müssen etwas wissen, andere brauchen einen dringenden Rat!

Sich unterbrechen zu lassen, damit beginnen Abkehr und Umkehr vom üblichen Leben.
Heute war Buss– und Bettag, der Umkehr-Tag. Das geht aber morgen auch noch…

Segne uns mit deiner Stille in dieser Nacht, lass es Menschen, denen wir morgen begegnen, gut ergehen durch uns!