Zum Schulbeginn, Mittwoch 10. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Vor 2 Jahren starb Dorothee Sölle, eine schriftgelehrte Predigerin mit der unnachgiebigen Leidenschaft einer biblischen Prophetin. Ihr Blick galt den übersehenen Menschen in der weiten Ökumene, sie nahm aber auch die Besuche ihrer Enkeltochter wahr. Dorothee Sölle erzählt: „Dieses kleine Mädchen, dreieinhalb Jahre alt, holte alle meine Tassen aus dem Schrank und baute sich – unter meinen besorgten Augen – ein Cafe auf. Es schenkte imaginären Kaffee an imaginäre Gäste aus. Nach einer Weile sagte ihre Mutter: ‚Jetzt musst du aufräumen, wir wollen zu Abend essen’. Das Kind antwortete – nicht aggressiv, eher nachdenklich – mit dem Satz: ‚Mama, du, du denkst immer nur in echt’. Ein wunderbarer Satz!“, fährt Dorothee Sölle fort, „mir fiel dazu ein, dass ich seit etwa fünfzig Jahren wenig ‚in echt’ gedacht habe, sondern vielleicht in Träumen und Hoffen, dass es außer ‚ in echt’ noch etwas anderes geben muss. Bedeutet Erwachsenwerden denn immer nur dümmer, immer blinder, immer weniger achtsam zu werden?

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Zum Schulbeginn, Dienstag 9. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Das neue Schuljahr hat begonnen und wieder stehen die Schulen unter dem Schatten dieses irrwitzigen Strebertums, das vom Stichwort PISA ausgelöst wurde, oder sollen wir sagen, die Schulen „ge-pisa-ckt“ werden, als stünde das Heil der Nation auf dem Spiel, als wäre das Ende der Arbeitslosigkeit davon zu erhoffen. Ein ehrgeizig Zappelnder sprach von der „Champions League“ der Bildung, in der die Bayern spielen.
„Bildung“ ist ein 200 Jahre altes Wort, Bildung möchte mitarbeiten an der Entfaltung des Menschen zu einem ebenso tüchtigen wie glücklichen Menschen. Diese Balance von tüchtig und glücklich ist völlig dahin. Die Rede ist von mehr Elite, mehr Wachstum, mehr Ertrag. Am wichtigsten sind die Gymnasiasten, dann die Grundschüler, dann die Kleinen im Kindergarten. Diese alleinige Ausrichtung an prüf- und verwertbaren Kenntnissen ist so fürchterlich wie das Karrierewort der neuesten Debatte, die „standards“, die es zu erreichen gilt.

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Zum Schulbeginn, Montag 8. August 2005

Wort zum Tage – Worte auf den Weg / RBB 8. August – 13. August 2005

Erster Schultag – ein ersehnter, gefürchteter, ein aufregender Tag ist gekommen! Die Großen Ferien sind zu Ende, der erste Schultag fängt an! Für die kleinen Schulanfänger ein ganz wichtiger Einschnitt im Leben. Sie werden viel lernen, nicht zuletzt, wie man in Gemeinschaften zurechtkommt. Das wird nicht schmerzfrei zugehen. Für mache ältere Schülerinnen und Schüler beginnt das letzte Schuljahr, die letzten Semester – bald wird eine Zeit hinter ihnen liegen, in der sie zu einer Klassengemeinschaft gehörten, in der sie Freunde gefunden haben, in der sie von engagierten verständnisvollen Lehrkräften viel gelernt haben, aber sich auch von manchen unter Druck gesetzt fühlten. Warum muss ich zur Schule gehen? Wer kennt nicht den Stoßseufzer aus Schüler- und Lehrermund? Die Schule gehört irgendwie zum Leben wie Zahnarztbesuche und Regenwetter, wir würden gern darauf verzichten, aber sie ist doch eine ganz großartige menschliche Erfindung.

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Brieskow-Finkenheerd

Wort zum Tage Worte auf den Weg, RBB Donnerstag 4.8. 2005

„Welches sind die besten Mittel, dem Kindesmorde Einhalt zu tun?“ Das war die Preisfrage eines wissenschaftlichen Wettbewerbs im Jahre 1780. Unter den 400 eingereichten Arbeiten blieb die wichtigste unbeachtet: ihr Autor, der schweizerische Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi, versuchte die Ursachen für ein Verbrechen zu ergründen, über das leidenschaftlich gestritten wurde: Die Ermordung eines neugeborenen Kindes durch die Mutter. Friedrich der Große schrieb an Voltaire, die Mehrheit der Mordtaten seien Kindsmorde. Das Dunkle, Unbegreifbare, ganz und gar Grausame ist ein Rätsel geblieben. Wir hören Erklärungen, sehen die Eiseskälte der nächsten Umgebung, erleben Distanzierungen, Schuldzuweisungen – was bleibt, ist Fassungslosigkeit.

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Meditation zu dem Londoner Terroranschlag

Das Wort RBB 88,8 7.55 10. Juli

Das Recht soll wie Wasser fließen und die Gerechtigkeit wie ein Sturzbach

Amos 5,24

In diesen Tagen sind die Bilder wieder übermächtig. Die Bilder aus London gewinnen Macht über uns. Die Bilder überwältigen uns. Da ist die Frau mit dem weißen Tuch vor dem Gesicht, weil es wohl blutüberströmt ist. Da ist aber auch der Arm des Helfers, der sie ins Sichere geleitet; eindringliche, erschütternde Bilder, zerborstene Busse, blutende Menschen, Gesichter unter Schock – die alten Griechen ließen die schrecklichsten Szenen außerhalb der Szene spielen, so meint es unser Fremdwort „obszön“, das, was außerhalb der Szene gehört. Auch das hat der heutige Terror überboten, Er schlägt ohne jede Vorwarnung tödlich in große Menschenmengen, er nimmt Flugzeuge als Waffen, er attackiert Bahnhöfe – er will die Adern, den Blutkreislauf der modernen Beschleunigung zerschneiden, er will unsere Beweglichkeit lahm legen, er will den Kollaps, den Stillstand, den Tod unserer Mobilität – das waren die Zeichen von New York, Tokio, Madrid, Moskau, London und…?
Und wir? Was geschieht mit uns, wenn wir die Bilder sehen, die Sirenen hören, die geschockten Gesichter wahrnehmen?

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DAS WORT / 12. Juni 2005 7.55 auf RBB 88,8

Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen
und selig zu machen, was verloren ist.
Lukasevangelium 19,10

Seine Eltern hatten ihn beim Namen „Zachäus“ gerufen, das heißt auf deutsch: „Der Reine“.
In Israel sind Namen nicht Schall und Rauch. Sie bedeuten immer etwas, z.B. einen guten Wunsch – Jesus heißt „Gott hilft“, und mit seinem Leben hat Jesus seinem Namen alle Ehre gemacht. „Ezechiel“ heißt „Gott ist stark“; „Elisabeth“ heißt „Mein Gott ist durch und durch treu“.

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Apropos Pfingsten

Wo die Seele sitzt – Was die Bibel über den Körper weiß
9. Juni 2003 Antenne Brandenburg

I.
„Der Seele Raum geben“ – das klingt wie die Einladung eines Reise-Unternehmens, auszuruhen im Schatten der Tempel von Burma , bei Nacht auf dem Markt von Marrakesch einen Teppich zu erstehen oder den langen Weg nach Santiago da Compostela an der Westspitze Europas zu wandern…“Der Seele Raum geben“ – vermutlich ein sehr deutsches Grundgefühl aus Sehnsucht, Fernweh, Schönheitsverlangen und dem Bedürfnis nach grenzenloser Freiheit, möglichst über den Wolken, hinter den Bergen und jenseits des Horizonts.

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