DAS WORT – 02. Mai 2007

„Sein ganzes Leben war Arbeit“ – nicht selten liest man diesen und ähnliche Sätze in Todesanzeigen oder hört sie bei Traueransprachen. Das ist ganz positiv gemeint. Nach biblischem Verständnis von Arbeit und Ruhe hätte man dagegen etwas sehr Trauriges gesagt: Ein Mensch, dessen ganzes Leben Arbeit war, hat nur ein halbes Leben geführt, denn die Ruhe schließt die Arbeit ab, Arbeit ohne Ruhe ist nach der Bibel unvollständig. So ist nach der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht der Mensch die Krone der Schöpfung, sondern die Ruhe am siebenten Tag.

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DAS WORT – 30. April 2007

Ein Freund erzählte mir folgende Begebenheit: „Vor wenigen Jahren erhielt ich eine Einladung, vor einem Schulkollegium ein Seminar zu halten, das Thema durfte ich selbst wählen. Der Termin lag nahe beim 1. Mai, so wählte ich das Thema „Arbeit in der Bibel“, also „Die Welt der Arbeit in der Welt der Bibel“, das passe zum „Tag der Arbeit“. Es gab freundliche Reaktionen – das sei gerade richtig. Am Morgen des Treffens wurde ich erwartungsvoll begrüßt, alle freuten sich auf das Seminar zum Thema: „Arbeit mit der Bibel“. Ein…Versprecher? Nein, im Programm stand „Arbeit mit der Bibel“, „Bibelarbeit“ eben, Werte in der Bibel entdecken und für heute entfalten…“, so weit seine Geschichte.

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DAS WORT – 4. Februar 2007

Seid stark und euer Herz sei mutig – alle, die ihr euch auf Gott verlasst
Psalm 31,25

Er war erst sechzig, als es ihn erwischte: Schlaganfall, rechtsseitige Lähmung, Sprachverlust. In der Rehabilitation tat man alles – mit wenig Erfolg. Gehen war unmöglich, sprechen konnte er bloß ein paar schwer verständliche Worte, die rechte Hand begann sich zu verbiegen – der Eintritt ins Pflegeheim war unumgänglich.
Da gab es einen Trotz in ihm, eine Trotzenergie. Er hatte genaue Vorstellungen von dem, was er brauchte: Unbedingt einen motorisierten Rollstuhl, um selbständig ausfahren zu können.
„Ist das nicht zu gefährlich?“, fragte die Pflegedienstleiterin.
„Was er im Kopf hat, setzt er auch durch“, antwortete seine Frau, aus Erfahrung.
So war es – er gab nicht nach, bis das Gerät vor ihm stand. Er ließ sich hineinsetzen und begann im Haus und im Garten herum zu kurven. Bald fuhr er auch in den Ort. Und – baute prompt einen Unfall, stieß mit einem Auto zusammen. Das bekam ein paar Kratzer am Lack und er ein paar Schrammen im Gesicht und an den Armen.
„Wie kann man einen Menschen in diesem Zustand allein auf die Straße lassen!“, brummte der Polizist, der ihn ziemlich erstaunt zurückbrachte.
„Wir können ihn ja nicht einsperren!“, sagte die Pflegedienstleiterin.
„Wie ich ihn kenne, wird er bald wieder ausfahren“, seufzte seine Frau.
Mit Verbänden an Kopf und Armen blickte er aus dem Bett zu ihr empor und lachte und nickte.

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Worte für den Tag | Sonnabend, 2.12.2006

Ein düster verhangener Abend im frühen Herbst, die Dorfstraße auf der Grenze zwischen Berlin und Brandenburg ist schlecht beleuchtet, es regnet unaufhörlich. Wo ist das evangelische Gemeindehaus? Doch, es gibt eins, ein Lichtschein lädt ein und die Tür ist unverschlossen, aber es muss der Hintereingang sein, denn an der ersten Zimmertür steht: „Küche! Zutritt nur für Berechtigte!“ Nun mag es hundert gescheite Gründe für diese barsche Begrüßung geben, nur: Einladend ist sie nicht. In der Bibel wird man diesen Ton nicht finden! Gewiss, ich kenne kirchliche Amtsstuben, auch sehr bedeutende, in denen auf jeder Stirn geschrieben steht: „Was immer du auf dem Herzen haben mögest, lieber Christ, fasse dich kurz, wir sind hier vollbeschäftigt!“ Freundlichkeit und Höflichkeit, Grüßen und Begrüßen werden als Schmuck des Christentums nicht immer angelegt.

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Worte für den Tag | Freitag, 1.12.2006

Die letzte Woche des Kirchenjahres geht zu Ende, eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. (..) Eine kühne Bilanz hat die polnische Dichterin Wislawa Szymborska gezogen. Sie ist Krakauerin, Jahrgang 1923, hat den Nobelpreis für Literatur und viele Auszeichnungen bekommen. Nun einige Zeilen aus ihrem Gedicht „Das Ende eines Jahrhunderts“:
„Zu viel ist geschehen, was nicht hat geschehen sollen, und was hat kommen sollen, kam leider nicht…Einige Unglücksfälle sollten nicht mehr geschehen, zum Beispiel Krieg und so.

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Worte für den Tag | Donnerstag, 30.11.2006

Die Bibel erzählt vom Propheten Jona; der der Stadt und dem König von Ninive den Untergang ansagte. Der König rief ein Fasten für Menschen und Tiere aus und sagte: „Wer weiß! Vielleicht lässt es sich Gott gereuen und wendet sich ab von seinem Zorn, dass wir nicht verderben!“ „Wer weiß!“, sagte der König; das gefiel meinem Freund sehr gut. „Wer weiß“ – das sollten auch die Christen öfter sagen, meinte mein Freund. Denn er beklagte den christlichen Gottesdienst und die Predigten: alle Aussagen seien irgendwie erwartbar. Käme das Wort Sünde, folge ihm sofort das Wort Vergebung, fiele das Wort Schuld, folge ihm die Gnade auf dem Fuße. Und immer sei die Predigt auf Jesu Seite. Es gäbe kein „Wer weiß!“, kein Zögern, keinen langsamen Schritt. Seine Schlussbemerkung versetzte mir einen Stich: „Vielleicht sind die Predigten deswegen so langweilig, weil ihr Gott zu früh recht gebt“.

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Worte für den Tag | Mittwoch 29.11.2006

Sie weiß nicht mehr, wie alt sie ist, wie sie heißt. Sie kennt ihre Kinder und Enkel nicht mehr, und wenn sie das Haus verlässt, findet sie den Heimweg nicht. Sie kommt nicht mehr ohne Hilfe ins Bett, das Essen wird ihr teilweise eingegeben, sie spricht keinen ganzen Satz. Aber sie kann noch gehen, braucht weder Stock noch Rollator. Letzte Woche ist sie gestürzt. „Ich tippe auf Oberschenkelhalsbruch“, sagte der Hausarzt, „muss geröntgt werden.“ „Ist das wirklich nötig?“, fragte ihr Sohn. „Wenn sie wieder gehen können soll!“. „Aber wird sie das können?“, fragte die Schwiegertochter. „Wir hoffen es“, sagte der Arzt. Sie wurde ins Krankenhaus gefahren, ratlose Furcht stand auf ihrem Gesicht. „Oberschenkelhalsbruch“, sagte der Röntgenarzt, „Operation muss sein!“ „Wirklich?“, fragte der Sohn. „Wir können die Frau doch nicht einfach liegenlassen“, erwiderte der Arzt. „Was geschähe dann?“ „ Sie würde rasch eine Lungenentzündung bekommen und sterben“. „Du willst doch das Beste für deine Mutter“, sagte seine Frau. Er sah sie an. „Wenn ich nur wüsste, was das Beste ist“

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Worte für den Tag | Dienstag, 28.11.2006

Was ist der Mensch? Ein ernste Frage für diese ernste Woche zwischen dem Totensonntag und dem ersten Advent. Die Bibel weiß viele Antworten, nicht alle sind so scharf wie die im Buch Hiob: „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe. Er geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und kann nicht bleiben“

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Worte für den Tag | Montag, 27.11.2006

Der Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt, war gestern. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III widmete 1816 diesen letzten Sonntag im Kirchenjahr (..) der Erinnerung an die Verstorbenen und dem Nachdenken darüber, dass auch wir sterben müssen.

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DAS WORT – 22. Oktober 2006

Heile mich, Gott, so werde ich heil!
Hilf mir, so ist mir geholfen!
Jeremia 17,14

„Sagen Sie mal A „ sagte der Doktor.
„Ganz ruhig liegen“, sagte die Röntgenassistentin.
„Richtig entspannen“, sagte der Internist bei der Magenspiegelung.
„Tief einatmen“, sagte der Lungenarzt.
„Das Bein gerade halten“, sagte die Krankengymnastin.
„Sie müssen nicht so ängstlich sein“, sagte der Chirurg.
„Sie müssen mehr trinken“, sagte der Urologe.
„Sie müssen aufhören zu trinken“, sagte der Therapeut.
„Sie müssen sich mehr bewegen“, sagte der Rheumatologe.
„Sie hätten früher kommen müssen“, sagte der Neurologe.
„Morgen geht’s nach Hause“, sagte der Stationsarzt.
„Gott sei Dank“, sagte der Patient.

Kranksein bedeutet, viel müssen und wenig dürfen. Und es betrifft niemand so sehr wie die Deutschen. Deutsche sind mit ihrem Gesundheitswesen unzufriedener als Amerikaner, Kanadier, Briten oder Neuseeländer. 58 Prozent von 4000 Befragten bezeichnen das eigene Befinden als schlecht. Wenn sich die Deutschen schlecht fühlen, verschafft ihnen der Arztbesuch nicht immer Erleichterung. In den Praxen der Mediziner geht ein seltsames Leiden um: Fast die Hälfte der Patienten hat Beschwerden, bei denen nichts Krankhaftes festgestellt wird. Magen, Darm, Herz, Kreislauf und der Rücken stehen im Mittelpunkt. Bekommen Patienten zu hören, sie hätten etwas, sind sie enttäuscht. Wird ihnen gesagt, sie hätten nichts, sind sie auch enttäuscht. Es gibt kaum noch Gesunde – nur Menschen, die nicht gründlich genug untersucht worden sind.

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