Begegnung mit Julie Bonhoeffer
„Die Kette der Generationen darf nicht reißen“, dieses Lebensgesetz kommt jedem in den Sinn, der die Familiengeschichte Dietrich Bonhoeffers liest. Lebenslauf und Lebenswerk, unauflösbar verflochten, verdanken sich wie bei kaum einem anderen Theologen der Neuzeit einer Familiengeschichte voll scharf konturierter Profile über Generationen hinweg. Die Familie prägte so unverkennbar, dass jegliches Mitläufertum im deutschnationalen Rausch, geschweige denn irgendeine Form von aktiver Zuneigung zum Nazismus ungleich unvorstellbarer gewesen wäre als die Bereitschaft zum entschiedenen Widerstand.
Was ließ Bonhoeffer schon zu Beginn des Nationalsozialismus so immun bleiben gegenüber den national erhebenden Gefühlen, die vielen zu Kopf stiegen, von denen man es nie und nimmer erwartet hätte, denken wir an zwei Extreme wie Martin Niemöller und Martin Heidegger? Wovon kaum einer aus den Bildungseliten – Militär, Adel und Kirche – frei war, dem christlichen Antijudaismus, ob gutmütig oder grobianisch, in der Familie Bonhoeffer gab es ihn nicht. Eine einmalige Immunität gegenüber Rassismus, vordemokratischen Überheblichkeiten und politischer Engstirnigkeit zeichnete die Familiengeschichte aus.
Der Mensch, der Dietrich Bonhoeffer aus der älteren Generation am längsten begleitet hat, an dessen Leben er lernen konnte, was eine „Großmutter Courage“ ist und an dessen Grab er bewegende Worte der eigenen Lebensverpflichtung fand, das war seine Großmutter väterlicherseits, Julie Bonhoeffer, geborene Tafel. Wer war diese Frau, von der so viele die historische Szene berichten, wie sie am 1. April 1933, am Tage der deutschlandweiten Judenboykotte im Berliner „Kaufhaus des Westens“ einkaufen ging?
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